Will die SBB-Transportpolizei Maschinenpistolen?

SBB Transportpolizei screen shot bearbeitet

Die SBB-Transportpolizei erkundigte sich beim Bund bezüglich einer Aufrüstung bei den Schusswaffen, Bild: Screen shot SBB

Sicherheit – Die SBB haben sich beim Bundesamt für Verkehr erkundigt, ob ihre Transportpolizei mit automatischen Gewehren ausgerüstet werden könnte. Dafür wäre aber eine Gesetzesänderung nötig. 

Von Livio Brandenberg

Würzburg, Salez, Vorarlberg: In den letzten Monaten ist es in Regionalzügen im In- und im nahen Ausland zu verschiedenen Attacken gekommen. SBB-Züge waren zwar keine betroffen, dennoch beschäftigen sich die Schweizerischen Bundesbahnen schon länger mit der Aufrüstung ihrer Transportpolizei. Bereits im April 2015 hat sich diese beim Bundesamt für Verkehr (BAV) erkundigt, ob es rechtlich möglich wäre, ihre Bahnpolizisten mit Maschinenpistolen und Tasern (Elektroschockpistolen) auszurüsten.

Dies bestätigte BAV-Sprecher Gregor Saladin gestern auf Anfrage. Ein konkreter Antrag für eine Bewilligung von Maschinenpistolen und Tasern liege dem BAV aber nicht vor. Auch die SBB bestätigen, dass sich die «Sicherheitsverantwortlichen der SBB» beim BAV erkundigt hätten, «ob die geltenden gesetzlichen Bestimmungen die Beschaffung von Langwaffen ermöglichen», wie Sprecher Reto Schärli sagt. Unter Langwaffen sind Sturmgewehre und Maschinenpistolen zu verstehen. Heute sind die SBB-Transportpolizisten mit einer Pistole, einem Polizeistock und Pfefferspray bewaffnet. Überdies dürfen sie bei spezifischen Einsätzen in Bahnhöfen auch einen sogenannten Mehrzweckwerfer einsetzen, der Gummischrot verschiesst.

Gesetz verbietet Aufrüstung

Eine Aufrüstung mit Maschinenpistolen, Sturmgewehren oder Tasern lässt das geltende Gesetz nicht zu. In den Erläuterungen zur Verordnung über die Sicherheitsorgane der Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr steht: «Automatische Waffen sowie die Benützung von Destabilisierungsgeräten (Anmerkung der Redaktion: gemeint sind Taser) sind ausgeschlossen».

Laut Reto Schärli von den SBB ist eine «Beschaffung von Langwaffen» denn auch «nicht vorgesehen». BAV-Sprecher Saladin betont derweil, es sei lediglich «im Rahmen der regelmässigen Kontakte zwischen Transportpolizei und BAV» über diese Frage gesprochen worden. Eine konkrete Anfrage habe es von Seiten der SBB nicht gegeben.

Tests mit Tasern

Laut einem Auszug eines internen Berichts des BAV vom August dieses Jahres haben die SBB betreffend Aufrüstung bei der Bewaffnung jedoch ziemlich konkret beim BAV angefragt. Wörtlich heisst es: «Gemäss einer Anfrage der SBB soll der Transportpolizei erlaubt werden, bei besonderer Bedrohungslage (Amokläufe, Terroranschläge) statt nur mit Pistolen nötigenfalls auch mit Langwaffen auszurücken, wie dies heute z. B. bereits auf Flughäfen der Fall ist. Dabei geht es um die Ausrüstung mit Maschinenpistolen oder Sturmgewehren (Automatische Waffen).»

Ausserdem hat die SBB-Transportpolizei dem Vernehmen nach kurz nach der Attacke auf einen Zug der Südostbahn (SOB) im St. Gallischen Salez Mitte August Tests mit Tasern durchgeführt. Neben dem Kommandanten der Transportpolizei, Jürg Monhart, soll dabei auch Jeannine Pilloud, Leiterin Personenverkehr der SBB, anwesend gewesen sein.

Bezüglich der Einführung von Maschinenpistolen sagt die SBB: «Wie alle Sicherheitsorgane in der Schweiz setzt sich auch die SBB-Transportpolizei mit der Entwicklung der Sicherheitslage und allfälligen Massnahmen zum Schutz von Kundinnen und Kunden sowie unserer Mitarbeitenden auseinander», so Sprecher Schärli.

Transportpolizei darf mehr

Seit 2009 sind alle konzessionierten Schweizer Transportunternehmen – also auch Bus- oder Schifffahrtsunternehmen – verpflichtet, «Sicherheitsorgane» zu unterhalten. Die Unternehmen müssen laut Gesetz für die Sicherheit ihrer Passagiere und Angestellten sorgen. Dazu kann jedes Transportunternehmen eine eigene Sicherheitsfirma aufbauen und führen oder eine solche beauftragen. Das geltende Bundesgesetz unterscheidet zwei Arten von Sicherheitsorganen: den Sicherheitsdienst und die Transportpolizei.

Die Unterschiede zeigen sich vor allem bei den Befugnissen. So darf die SBB-Transportpolizei beispielsweise Personen vorläufig festnehmen, auch wenn nur eine Übertretung vorliegt (siehe Grafik unten). Übertretungen sind Taten, die mit Busse bedroht sind, also weniger schwere Delikte, etwa der Konsum von Haschisch. Zusätzlich darf die Transportpolizei Gegenstände beschlagnahmen. Privaten Sicherheitsdiensten, etwa der Securitas, ist dies nicht erlaubt. Die Transportpolizei muss laut Gesetz aber beschlagnahmte Gegenstände und vorläufig festgenommene Personen «möglichst rasch der Polizei» übergeben.

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Grafik: «Neue Luzerner Zeitung» vom 8. September 2016

Hier zeigt sich auch die Abgrenzung zur staatlichen Polizei: Die Transportpolizei darf keine Personen festnehmen und in einer Zelle einsperren. Und auch beim Einsatz der Schusswaffe gibt es unterschiedliche Befugnisse: Während die Transportpolizei die Schusswaffe lediglich zur Notwehr einsetzen darf, darf zum Beispiel ein Kantonspolizist seine Pistole auch ziehen, um einen Flüchtigen oder Verdächtigen zu stellen oder zu verfolgen.

«Sicherheitsorgane sind Private»

Das Erkundigen der SBB-Transportpolizei beim BAV, ob sie allenfalls auch Maschinenpistolen beschaffen dürfte, legt nahe, dass die Verantwortlichen der Transportpolizei diese eher als staatliche, den kantonalen Polizeikorps gleichgestellte Behörde sehen. Für eine solche Auslegung sprechen würde, dass die Transportpolizisten die exakt gleiche Ausbildung wie Kantons- oder Stadtpolizisten durchlaufen und den Eidgenössischen Fähigkeitsausweis «Polizist/in» besitzen.

Der Bundesrat schreibt in seiner Antwort auf eine ständerätliche Motion Ende November 2015 allerdings klar, dass dem nicht so sei: «Die Sicherheitsorgane der Transportunternehmen sind nicht staatliche Behörden, sondern Teil der Transportunternehmen und somit letztlich Private.» Auch die nationalrätliche Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen kam beim Entwurf des heute massgebenden Gesetzes zum Schluss, die Aufgaben der Sicherheitsorgane seien «sehr eingeschränkt» und gingen «nicht wesentlich über die Rechte hinaus, die auch Privatpersonen zustehen».

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«Polizei» bedeutet nicht Gewaltmonopol

Wenn nun ein solches, laut dem Bundesrat «privates», Sicherheitsorgan Maschinenpistolen oder Schnellfeuergewehre anschaffen und allenfalls einsetzen dürfte, wäre dies ein Novum in der Schweiz. Denn das Gewaltmonopol liegt beim Staat, also im Wesentlichen bei den Kantons- und Stadtpolizeien.

Dass die Transportpolizei der SBB die Bezeichnung «Polizei» im Namen führt, spielt dabei keine Rolle. Denn vereinfacht sagt diese Bezeichnung nur aus, dass Aufgaben zum Schutz der Bevölkerung wahrgenommen werden und dass dies in einem hoheitlichen Verhältnis geschieht. So gibt es in den Städten einiger Kantone beispielsweise eine «Baupolizei». Doch Waffen tragen darf diese deswegen nicht.

Es stellt sich die Frage, ob die Transportpolizei aufgrund ihrer Selbsteinschätzung auch einer verzerrten Auffassung ihrer Aufgaben unterliegt. Vor rund drei Wochen äusserte ein langjähriger Lokführer der SBB Kritik an der Transportpolizei. Die Polizisten seien in den Zügen zu wenig präsent, würden zu wenig patrouillieren, so der Vorwurf. Die SBB wiesen dies als absurd zurück. ■

(Dieser Artikel erscheint in leicht anderer Form am 8. September 2016 in der «Neuen Luzerner Zeitung» und im «St. Galler Tagblatt».)