Zulassung für Schwule zum Blutspenden braucht genaue Prüfung

Blutspende

Bild: Screen shot Blutspende SRK Schweiz

Von Livio Brandenberg

Schwule sollen in der Schweiz in Zukunft Blut spenden dürfen. Die Organisation Blutspende SRK Schweiz, die in Zusammenarbeit mit den regionalen Blutspendediensten die Versorgung der Spitäler mit Blut sichert, will das Verbot lockern. Geschehen soll das in zwei Schritten. Der erste Liberalisierungsschritt ist bereits auf den 1. Januar 2017 angedacht. Das langfristige Ziel ist eine Beurteilung, in der die sexuelle Orientierung der Spender keine Rolle mehr spielt. Einzig das sexuelle Verhalten und der Gesundheitszustand sollen entscheiden, ob eine Person ihr Blut spenden darf. Die Reaktion der Schwulencommunity fällt positiv aus: Man begrüsse diesen «ersten wichtigen Schritt» hin zur Gleichstellung.

Mehr als ein erster Schritt ist die von Blutspende SRK Schweiz geforderte Regelung auch nicht. Denn Männer, die mit Männern Sex haben – also auch Bisexuelle –, bleiben gemäss dem Vorschlag künftig im Alltag vom Blutspenden ausgeschlossen. Grund ist die neue Regelung: Wenn die Männer in der vorgängigen obligatorischen Befragung angeben, in den letzten 12 Monaten mit einem Mann verkehrt zu haben, werden sie von den Blutspendediensten nach wie vor zurückgewiesen. Die einzige Möglichkeit für die Betroffenen, Blut spenden zu dürfen, wäre, das ganze Jahr über sexuell abstinent zu sein.

Trotz der ersten positiven Reaktion moniert die Schwulenorganisation Pink Cross denn auch, diese Forderung sei nicht praktikabel. Man könne von einer Person nicht verlangen, ein Jahr lang gänzlich auf ein Sexualleben zu verzichten, um Blut spenden zu dürfen. Die Kommentare von Schwulen in den Sozialen Medien gehen in die gleiche Richtung. Doch Pink Cross als Interessenverband versteht auch, dass diese Regelung heute die politisch realistische ist und den Weg für eine vollständige Gleichbehandlung bereiten soll. Diese dürfte gemäss SRK Schweiz frühestens 2018 kommen.

Dass nur das konkrete Verhalten eines Spenders massgebend sein soll – ungeachtet seiner sexuellen Orientierung –, leuchtet auf Anhieb ein. Auch der Verband Aids-Hilfe Schweiz plädiert dafür, Blutspender strikte nach Risikokriterien zu beurteilen und nicht danach, welchem Geschlecht die Sexualpartner angehören. Ein Fakt ist aber, dass in der Schweiz auch heute noch jede zweite HIV-Infektion auf sexuelle Kontakte zwischen Männern zurückzuführen ist. Und dass das Risiko einer HIV-Neuinfektion bei Männern, die Sex mit Männern haben, im Vergleich zu heterosexuellen Männern ungleich höher ist: Fast 60 Prozent der neuen Diagnosen werden bei dieser Männergruppe gestellt. Das zeigen Zahlen des Bundesamts für Gesundheit.

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Fakt ist, dass in der Schweiz auch heute noch jede zweite HIV-Infektion auf sexuelle Kontakte zwischen Männern zurückzuführen ist.
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Damit ist klar: Die Schwulen sind eine Spendergruppe, die ein erhöhtes Risiko mitbringt. Diesem statistisch ausgewiesenen Fakt steht der Wille der SRK Schweiz und Interessengruppen wie Pink Cross gegenüber, Schwule vom Blutspenden nicht grundsätzlich oder mittels (zu) strengen Auflagen faktisch auszuschliessen. Die Hauptfrage ist: Wie hoch ist das Risiko, dass durch Blut, welches ein Schwuler gespendet hat, eine Krankheit wie HIV oder Hepatitis übertragen wird?

Sich darauf zu verlassen, dass sich dieses Risiko minimieren lässt, indem gespendetes Blut immer auf alle ansteckenden Krankheiten getestet wird, ist laut Experten heikel. Der Grund sind die sogenannten diagnostischen Fenster: Manche Krankheiten lassen sich in den Tests erst mehrere Tage nach der Ansteckung im Blut nachweisen. Diese Zeiträume werden dank immer moderneren Tests zwar kleiner, doch sie bestehen weiterhin. HIV kann man beispielsweise erst bis zu 7 Tage nach der Blutentnahme nachweisen, Hepatitis B nach 20 Tagen und Hepatitis C nach rund 5 Tagen. Für die empfangenden Patienten bleibt also ein Restrisiko. Für eine 100-prozentige Kontrolle, müsste man allen Spendern nach dem diagnostischen Fenster nochmals Blut zum Testen entnehmen. Das letzte Mal wurde in der Schweiz allerdings im Jahr 2001 ein Patient über eine Bluttransfusion mit HIV angesteckt.

Dass es seither keine weiteren Fälle mehr gegeben habe, sei neben den Tests auch auf die Massnahmen bei der Spenderauswahl zurückzuführen, teilt das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic mit. Swissmedic wird auch die Forderung der Blutspende SRK Schweiz beurteilen, sich also mit der schwierigen Risikoabwägung beschäftigen und schliesslich über eine Lockerung der Spenderegeln entscheiden. Klar ist dabei laut Swissmedic: Der Antrag der SRK Schweiz muss wissenschaftliche Daten enthalten, die zeigen, dass die Sicherheit der Empfänger nicht abnimmt. Ist dieses Kriterium erfüllt, sei eine Abkehr vom lebenslangen Ausschluss der Schwulen vom Blutspenden denkbar. ■

(Dieser Artikel ist in leicht anderer Form erschienen am 22. Juni 2016 in der «Neuen Luzerner Zeitung».