«Das Rentenalter 65 ist fast schon sakrosankt»

Peter Hegglin III

Schlägt eine neue AHV-Regelung vor: der Zuger CVP-Ständerat Peter Hegglin, Bild: Stefan Kaiser

Altervorsorge – Der Zuger CVP-Ständerat Peter Hegglin will mit einem Vorstoss erreichen, dass das Rentenalter an die Lebenserwartung gekoppelt wird.

Interview Livio Brandenberg

Peter Hegglin, gemäss Ihrem Vorschlag könnte das Rentenalter etwa bei 16 Jahren unter der durchschnittlichen Lebenserwartung festgelegt werden. Ist das Problem der unterfinanzierten Altersvorsorge so zu lösen?
Peter Hegglin*: Es ist ein Versuch. Im Jahr 1970 waren es fünf Beitragszahler pro Rentner, heute sind es noch rund dreieinhalb, und man geht davon aus, dass es im Jahr 2060 weniger als zwei Beitragszahlende pro Rentner sein werden. Das heisst: Dann werden zwei Verdienende für eine AHV-Rente zahlen müssen. Das dürften dereinst bis zu 1400 Franken pro Zahler und Monat sein. Das ist viel Geld. Das Verhältnis zwischen Beitragszahlenden und Rentenbezügern darf sich nicht noch mehr zu Lasten der Jüngeren verschieben.

Die Menschen müssten aber immer länger arbeiten.
Ja, wir sind heute im Alter aber auch viel fitter und leistungsfähiger als früher. Ob man ein oder zwei Jahre länger arbeitet, ist für die Gesundheit einer Person gar nicht so relevant. Doch für das System schon. Dazu kommen noch drei weitere Punkte: Je länger die Leute arbeiten, desto mehr zahlen sie in die AHV ein. Und: Je länger sie arbeiten, desto weniger kosten sie die AHV, weil sie später ihre Rente beziehen. Und drittens verbessert sich auch das zukünftige Wirtschaftswachstum.

Grafik AHV Vimentis

Grafik: Vimentis

Wie soll das «richtige» Referenzalter denn festgelegt werden?
Wir werden pro Jahr um 50 Tage älter, das heisst, alle sieben Jahre leben wir ein Jahr länger. Wenn wir nichts machen, läuft die AHV so weiter und in eine Sackgasse. Mir ist nicht die Festlegung eines konkreten Referenzalters wichtig, sondern die Ankoppelung an die Lebenserwartung.

In seiner Antwort auf Ihren Vorstoss hält der Bundesrat aber am AHV-Alter 65 fest.
Das Rentenalter 65 ist fast schon sakrosankt geworden. Man hat Angst, daran zu rütteln. Darum möchte ich die ganze Diskussion «entpolitisieren». Dass wir immer älter werden, ist ja kein politischer Entscheid, sondern wir leben gesünder, und die medizinische Versorgung ist heute besser als früher.

Aber schlussendlich wird die Politik das Vorsorgeproblem lösen müssen.
Klar. Aber die Politik kann sich auch selbst behindern, indem heilige Kühe geschaffen werden. Mit einer Koppelung an die Lebenserwartung würde man zwar einen politischen Entscheid fällen, doch dahinter wäre ein dynamischer Mechanismus. Ähnlich wie die Teuerung, die wir ja auch laufend anpassen.

Eine schnelle Lösung wird es kaum geben.
Das glaube ich auch. Das wird ein längerer Prozess sein. Ich wollte diese Diskussion nun lancieren, es wird aber wohl noch weitere Vorstösse brauchen.

Sie glauben also nicht, dass Ihr Vorschlag auf offene Ohren trifft?
Viele Kollegen im Parlament finden es richtig, dass man dieses Thema auf den Tisch bringt. Aber ebenso viele scheinen Respekt davor zu haben, dass man im Volk keine Mehrheit für diese Idee finden würde. Dabei wird es immer schwieriger, eine Mehrheit zusammenzubekommen, je länger man wartet. Denn die Leute, die das Rentenalter erreichen – und die werden immer mehr – werden sich kaum die Renten kürzen, was verständlich ist. Man hat ein Leben lang einbezahlt, dann will man seinen Anteil zurück.

Und was ist mit den Jungen, wieso machen sich diese nicht lauter für eine neue Regelung stark?
Von den Jungen höre ich oft: «Wenn ich mal 65 bin, will ich dann auch meine Rente.» Sie denken nicht daran, dass das System bis dann kaum noch finanzierbar ist. Mit dem Vorstoss will ich die Jungen ein wenig aufrütteln.

Steht Ihr Vorstoss nicht quer zur Rentenreform 2020, die momentan in der zuständigen Kommission des Nationalrats behandelt wird und die am AHV-Alter 65 festhält?
Nein, diese Reform will eine mittelfristige Regelung und Entlastung der AHV, doch die langfristige Verschiebung, dass immer weniger Junge immer mehr Renten der Alten bezahlen müssen, korrigiert sie nicht. Ich selbst werde wohl auch zu denen gehören, die bereits länger arbeiten müssen. Aber das sind wir den Jungen auch schuldig. Dass wir immer länger leben, was ja schön ist, darf man nicht einfach den Jungen aufbürden. Im Abstimmungskampf der letzten AHV-Revision vor ein paar Jahren haben die Gegner, etwa die Gewerkschaften, von «Rentenklau» gesprochen. Doch das ist nur die eine Seite. Auf der anderen stehen die Jungen.

Gegen eine Änderung des Pensionsalters, wie Sie sie vorschlagen, würde sicher das Referendum ergriffen. Hätte diese faktische Rentenalters­erhöhung an der Urne eine Chance?
Wenn man den Leuten die Problematik erklärt und ihre Bedenken ernst nimmt, dann werden sie verstehen, dass bei der AHV etwas gemacht werden muss, und eine solche Idee mittragen. Das habe ich als Regierungsrat immer wieder erlebt.

Sie sind jetzt 55. Wie lange arbeiten Sie denn noch?
(Lacht.) Bei mir ist es speziell: Ich bin ja nicht angestellt, sondern gewählt. Ich hoffe, dass ich noch ein Mal oder sogar ein zweites Mal wiedergewählt werde. Dann wäre auch ich über dem Pensionsalter. Ich werde aber sowieso nicht von einem Tag auf den anderen die Beine hochlagern.

Wären Sie als Zentralschweizer CVP-Politiker mit Exekutiverfahrung nicht ein logischer Nachfolger von Bundesrätin Doris Leuthard?
Eine schwierige Frage. Ich bin schon der Meinung, dass die Zentralschweiz wieder eine Vertretung im Bundesrat braucht. Aufgrund dessen, was die Region darstellt und leistet, ist sie seit längerer Zeit massiv untervertreten. Doch ob ich der richtige Kandidat wäre und das möchte, kann ich heute nicht sagen. Ich muss mich jetzt zuerst im Ständerat einleben. ■

 

* Peter Hegglin (55) ist gelernter Landwirt. Von 2003 bis 2015 war er Regierungsrat und Finanzdirektor des Kantons Zug. Letztes Jahr wurde er in den Ständerat gewählt. Der CVP-Politiker ist verheiratet und hat vier Kinder.