Rekord: 7516 Verurteilte wegen Drogendelikten

Smoking weed

Beim Drogenkonsum die Nummer 1: Kiffen, Bild: Flickr/Chuck Grimmett

Statistik – In allen Bereichen gehen die Strafverurteilungen zurück. Einzig bei den Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz wurden im Vergleich zum Vorjahr mehr Personen verurteilt. Dabei sind vor allem junge Männer gefährdet – unter anderem wegen einer neuen Regelung beim Cannabiskonsum.

Von Livio Brandenberg

Gestern hat das Bundesamt für Statistik (BFS) die neuesten Zahlen zu den Strafverurteilungen in der Schweiz veröffentlicht. Und diese sind fast überall rückläufig oder bleiben in etwa auf dem Vorjahresniveau. Ausser bei den Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Mit insgesamt 7516 verurteilten Personen (Minderjährige und Erwachsene) wegen Betäubungsmittelhandels oder -konsums erreichte die Schweiz im letzten Jahr den Höchststand seit Beginn der Statistik im Jahr 1984 (siehe Grafik).

Grafik Drogen

Grafik: «Neue Luzerner Zeitung» vom 7. Juni 2016

Während im letzten Jahr also weniger gegen das Straf-, das Strassenverkehrs- und das Ausländergesetz verstossen wurde, verurteilten die Richter mehr Personen wegen illegaler Substanzen als noch im Jahr 2014. Wie lässt sich diese Entwicklung erklären?

Adrian Gschwend, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesamt für Gesundheit (BAG), sagt, das sei anhand der Zahlen schwierig: «Es handelt sich hier um eine rein deskriptive Statistik. Daher kann man keine verlässlichen Aussagen über die Ursachen machen.» Interessant sei der Anstieg bei den Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz aber. Denn die Suchtmonitoring-Zahlen, die das BAG habe, wiesen nicht auf eine Konsumzunahme bei den verbotenen Drogen hin. «Wir werden die Zunahme bei den Verurteilungen wegen Betäubungsmitteldelikten sowohl bei den Erwachsenen wie bei den Jugendlichen deshalb nun genauer analysieren müssen», sagt Gschwend.

Angebot und Nachfrage stabil

Eine Erklärung für die höhere Verurteilungsrate im Zusammenhang mit illegalen Betäubungsmitteln könnte sein, dass in diesem Bereich in den letzten Jahren strenger geurteilt wurde. Oder aber, dass schlicht mehr Anzeigen eingegangen sind. Abschliessend lassen sich diese Vermutungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilen. Unrealistisch sind sie jedoch nicht, denn eine Zunahme des Drogenkonsums gibt es in der Schweiz derzeit gemäss Angaben der zuständigen Stellen keine.

Ecstasy

Immer beliebter in der Schweiz: Ecstasy-Pillen, Bild: Flickr/Tanjila Ahmed

So schreibt die Eidgenössische Kommission für Drogenfragen (EKDF) in einem aktuellen Positionspapier, dass «Nachfrage und Angebot für Kokain und Heroin in der Schweiz seit mehreren Jahren stabil» seien. Bei Cannabis, der mit Abstand beliebtesten Droge der Schweiz, sind Angebot und Nachfrage laut der EKDF «auf hohem Niveau» stabil. Einzig die synthetischen Drogen, allen voran Ecstasy, sind gemäss der EKDF in den letzten Jahren beliebter geworden. 2013 wurden erstmals drei Labore zur Produktion von synthetischen Drogen ausgehoben. Sonst sei die Schweiz ein klassisches «Endglied in der Verwertungskette» von Drogen. Soll heissen: Hier wird hauptsächlich gehandelt und konsumiert. Die meisten Substanzen werden aus dem Ausland eingeschmuggelt, die Ausnahme ist Cannabis.

Neue Regelung beim Cannabis

Zurück zur BFS-Statistik: Diese zeigt, dass der Anteil der Minderjährigen an allen Verurteilten bei 13 Prozent liegt. Minderjährige werden, gemessen am Total verurteilter Minderjähriger, häufiger wegen Betäubungsmitteldelikten verurteilt, als das bei Erwachsenen der Fall ist. Das liegt aber vor allem daran, dass für Erwachsene bei Cannabiskonsum seit Oktober 2013 eine neue Regelung gilt: Wer kifft oder weniger als 10 Gramm «Gras» auf sich trägt, wird lediglich mit einer Ordnungsbusse von 100 Franken abgemahnt. Unter 18-jährige Jugendliche werden hingegen angezeigt und allenfalls verurteilt. Der Anteil der minderjährigen Verurteilten sei deshalb «im Rahmen», so BAG-Experte Gschwend. Und er sagt weiter: «Wir sind natürlich froh, dass der Anteil nicht höher ist. Denn eine Verurteilung im Minderjährigenalter kann schnell zu einer Stigmatisierung des Jugendlichen führen.»

«Männer konsumieren generell mehr Drogen als Frauen.»
– Adrian Gschwend, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Bundesamt für Gesundheit

Beim Betrachten der BFS-Zahlenreihen ist zudem augenfällig, dass die Männer über alle Alterskategorien hinweg deutlich öfter gegen das Betäubungsmittelgesetz verstossen als die Frauen – bis zu zehn Mal häufiger werden sie verurteilt. Auch das sei nicht abnormal, meint Adrian Gschwend: «Männer konsumieren generell mehr, und wahrscheinlich auch eher im öffentlichen Raum, wo Verzeigungen stattfinden.»

Drogen in der Stadt sichtbarer

Darüber, wo die Verzeigungen und Verurteilungen stattgefunden haben, gibt es vom BFS keine Angaben. Der Verdacht liegt aber nahe, dass in den urbanen Regionen, in den Städten also, mehr mit Drogen gehandelt wird und diese dort auch häufiger konsumiert werden. Dass städtische Regionen eher von Drogenproblemen betroffen sind, könne man so nicht sagen, meint BAG-Experte Gschwend. «In den Städten spielt sich die Problematik eher im öffentlichen Raum ab, auf dem Land eher privat», sagt Gschwend. In der Stadt sei der Drogenkonsum deshalb einfach sichtbarer. ■

(Dieser Artikel ist in leicht anderer Form erschienen am 7. Juni 2016 in der «Neuen Luzerner Zeitung».)

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