Schweizer Fussballliga filmt weiter verdeckt Hooligans


Quelle: Youtube/78onaitsirC

Gewalt – Seit einem Jahr geht die Swiss Football League mit verdeckten IV-Ermittlern gegen Hooligans vor, die in und um die Super-League-Stadien filmen. Nun wird das Projekt verlängert.

Von Livio Brandenberg

Vermummte Gesichter, fliegende Fäuste, brennende Pyrofackeln: Es waren heftige Szenen, als russische Hooligans gegen Ende des EM-Gruppenspiels England-Russland im Stadion von Marseille auf den englischen Fanblock losstürmten (siehe Video). Im Nachgang wurden vor allem die Sicherheitskräfte stark kritisiert. Und auch nach gut zwei Wochen fällt die Bilanz für die französischen Behörden nicht gut aus: Keiner der geschätzten 150 Russland-Hooligans konnte bisher identifiziert und in der Folge festgenommen werden.

Identifizierung anhand von Tattoos

In der Schweiz ist dies praktisch nicht mehr denkbar. Denn: Wer an einem Super-League-Spiel eine Pyrofackel zündet, randaliert oder prügelt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit gefilmt und fotografiert. Seit gut einem Jahr überwacht die Swiss Football League (SFL) Risikospiele im und um das Stadion herum mittels Video- und Fotokameras. Genauer: Sie lässt überwachen. Die SFL hat die Überwachung an eine Firma, die IV-Detektive anstellt, übergeben.

Diese arbeiten meist in kleinen Teams, sind mit hochmodernen Kameras ausgerüstet und können aus sicherer Entfernung hochauflösende Bilder schiessen. Die Aufnahmen sind von deutlich höherer Qualität als die der Stadionkameras. So kann etwa ein Randalierer zweifelsfrei anhand seiner Tätowierung identifiziert werden. Die Detektive filmten auch schon in der Luzerner Swissporarena, wie die Stadionverantwortlichen im Frühling letzten Jahres bestätigten. Das Video- und Bildmaterial gibt die SFL direkt an die Strafverfolgungsbehörden weiter. In der Folge, kann die Liga Stadionverbote verhängen.

Die Schweizer Fussballliga setzt die beschriebenen Massnahmen im Rahmen des Projekts Focus one um und reagiert damit auf Ausschreitungen in oder um Super-League-Stadien in den vergangenen Jahren. Focus one startete im März letzten Jahres als Pilotprojekt – befristet auf eine Saison. Nun ist klar: Die SFL lässt weiterfilmen. Das hat das Komitee – das Führungsorgan – der SFL kürzlich entschieden, wie SFL-Sprecher Philippe Guggisberg bestätigt. Vorerst werde Focus one um ein Jahr verlängert, sagt Guggisberg. Um ein Jahr deshalb, weil die SFL immer von Saison zu Saison plane und budgetiere. Weiter schliesst Guggisberg nicht aus, dass in Zukunft auch Challenge-League-Partien beobachtet werden.

Focus one bearbeitet

Das Projekt Focus one der SFL wird verlängert, Bild: Screen shot SFL

Die Massnahmen in der Super League kosteten in der vergangenen Spielzeit rund
100 000 Franken. Die SFL rechnet damit, dass der Betrag im bisherigen Rahmen bleibt. Dies dürfte allerdings auch davon abhängen, wie sich die Super-League-Saison entwickelt, also wie viele Spiele die SFL-Experten als Hochrisikospiele einstufen. Die SFL betont, dass weiterhin nur «gezielt» bei solchen Partien gefilmt und fotografiert werde, «primär innerhalb des Stadionperimeters». Der Stadionperimeter ist jener Raum, der nicht rein zum öffentlichen Grund gehört. Er kann auch Flächen und Plätze ausserhalb des Stadions umfassen. Die Definition variiert aber von Stadion zu Stadion. Die SFL musste sie zusammen mit den jeweiligen Klubs, den Stadioneigentümern und den lokalen Behörden für jede Arena einzeln bestimmen.

Zahlen bleiben geheim

Mit den verdeckten Aufnahmen bewegt sich die SFL generell auf rechtlich heiklem Terrain. Denn gemäss Datenschutzgesetz sind solche nur dann erlaubt, wenn ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse vorliegt, etwa die Aufklärung eines schweren Gewaltdelikts.

Die SFL selbst hält ihr Vorgehen für legal, sie liess dafür rechtliche Abklärungen durch ein Anwaltsbüro treffen und schaltete den Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten (Edöb) ein. Dieser hat der SFL geraten, nur Aufnahmen zu machen, wenn es wirklich Ausschreitungen gibt, da «für ein ständiges verdecktes Filmen wohl kein Rechtfertigungsgrund besteht», wie Edöb-Sprecher Francis Meier erklärt.

Guggisberg sagt, bisher habe es im Rahmen von Focus one keine rechtlichen Probleme gegeben. Was die Liga aber nicht bekannt gibt, ist, wie viele Fehlbare seit Beginn der Film- und Fotoaufnahmen schon identifiziert wurden. «Über die strafrechtlichen Konsequenzen der Einsätze werden keine Zahlen und Ergebnisse veröffentlicht», so Guggisberg. Laut dem Edöb ist die SFL dazu auch nicht verpflichtet. Sie habe nur eine Auskunftspflicht gegenüber den betroffenen Personen, nicht aber gegenüber der Öffentlichkeit, so Edöb-Sprecher Meier. ■

(Dieser Artikel ist in leicht anderer Form erschienen am 28. Juni 2016 in der «Neuen Luzerner Zeitung».)