Suizidprävention mit Poncho aus Papier

Das Gefängnis Grosshof in Kriens bei Luzern, Bild: PDDer Eingangsbereich der Anstalt Grosshof, Bild: PDDer Innenhof, Bild: PDDer Spazierhof im Grosshof Kriens, Bild: PDDer syrische Terrordverdächtige Jaber al-Bakr (22), Bild: Screen shot Reuters

Justizvollzug– Am Mittwochabend hat sich der terrorverdächtige Syrer Jaber al-Bakr im Gefängnis in Leipzig erhängt. Wie läuft eine Inhaftierung und die Bewachung von verdächtigen Personen in Schweizer Gefängnissen ab? 

Von Livio Brandenberg

Nachdem sich der 22-jährige mutmassliche Terrorist Jaber al-Bakr in einer Einzelzelle in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Leipzig mit seinem T-Shirt erhängt hatte, wurden schnell Vorwürfe an die Behörden in Sachsen laut. Insbesondere, weil eine Psycho­login die Suizidgefahr des Mannes als nicht akut eingeschätzt hatte. Dies ist insofern bemerkenswert, als es sich um einen mutmasslichen Selbstmordattentäter handelte.

Zudem war der Syrer in einen konsequenten Hungerstreik getreten, riss eine Lampe von der Zellendecke und machte sich an einer Steckdose zu schaffen. «Man hat das als Vandalismus eingestuft», sagte gestern der Leiter der JVA Leipzig, Rolf Jacob, an einer Pressekonferenz. Es habe keine Hinweise auf einen Suizid gegeben. «Er war ruhig, er war ausgeglichen», so Jacob.

Sonderzelle und Styroporgeschirr

Wäre eine solche Fehleinschätzung auch hierzulande möglich gewesen? Wie wird in Schweizer Gefängnissen mit verdächtigen Personen umgegangen, die suizidgefährdet sind?

Laut Stefan Weiss, Leiter der Dienststelle Justizvollzug des Kantons Luzern, die auch für die Anstalt Grosshof in Kriens verantwortlich ist, findet bei einer Inhaftierung in jedem Fall ein Gespräch mit dem internen Gesundheitsdienst statt, um abzuklären, ob die Person einer Haft gewachsen ist. Ein Psychologe werde nur dann beigezogen, wenn die Person verhaltensauffällig sei.

Werde sie als suizidgefährdet eingestuft, werde sofort der forensische Dienst der Luzerner Psychiatrie begezogen und die Person in eine Sicherheitszelle gebracht. «In dieser Zelle sind die Wände glatt und es ist kein Mobiliar vorhanden. Als Bekleidung wird ein spezieller Antisuizid-Poncho aus Papier abgegeben», erklärt Weiss. Das Essen werde mittels Styroporgeschirr überreicht.

In besonders heiklen Fällen ist laut Weiss auch eine permanente Kameraüberwachung vorstellbar.

Permanent gefesselt würden verdächtige Personen nur in Extremfällen, sagt Weiss. Etwa, «wenn eine Person ständig mit dem Kopf gegen die Wand oder Türe rennt».

24-Stunden-Monitoring in Zug

Im Kanton Zug gibt es beim Eintritt Abklärungen mittels Checklisten, die das Anstaltspersonal zusammen mit der in Haft genommenen Person durchgehe, wie Toni Amrein, Leiter des Amts für Justizvollzug, sagt. «Suizidgefährdete kommen in eine Überwachungszelle, die 24 Stunden per Monitor überwacht ist. Zusätzlich wird der Anstaltspsychiater aufgeboten.»

Sollte eine Person randalieren oder beispielsweise an einer Steckdose herummanipulieren und eine Selbstgefährdung bestehen, werde sie in die erwähnte Überwachungszelle gebracht. «Dann wird weiter abgeklärt, ob ein Psychiater aufgeboten wird», so Amrein. ■

(Dieser Artikel ist in kürzerer Form erschienen am 14. Oktober 2016 in der «Luzerner Zeitung».)