Samsung zieht die Reissleine

Der Akku des Galaxy Note 7 explodierte regelmässig oder fing Feuer, Bild: Screen shot extremetechUnd so sieht das Samsung Galaxy Note 7 neu und unversehrt aus, Bild: Screen shot Youtube/C4ETech

Smartphone-Debakel – Nachdem erneut Fälle von explodierenden Akkus aufgetaucht sind, stellt Samsung die Produktion des Galaxy Note 7 ein. Der Imageschaden bleibe aber trotz der peinlichen Panne übersichtlich, sagt ein Experte. 

Von Livio Brandenberg  und  Thomas Griesser Kym

Die Negativmeldungen folgten gestern Schlag auf Schlag: Zuerst teilte Samsung mit, der weitere Verkauf sowie der bereits laufende Austausch des Problemhandys Galaxy Note 7 werde weltweit gestoppt. Wenige Stunden später gab ein Sprecher des südkoreanischen Elektronikkonzerns bekannt, das Modell werde ab sofort nicht mehr produziert. Das definitive Aus für Samsungs Premium-Handy, das ursprünglich mit den iPhones von Apple konkurrieren sollte.

Seit der Lancierung Mitte August war es beim Galaxy Note 7 zu überhitzten und explodierenden Akkus gekommen. Noch vor drei Wochen startete Samsung in der Schweiz mit – zumindest öffentlich zelebriertem – Optimismus ein Austauschprogramm für die fehlbaren Geräte. Besitzer wurden aufgerufen, ihr Galaxy Note 7 gegen ein neues einzutauschen.

«Geräte umgehend ausschalten»

In der Mitteilung zum Start des Umtauschprogramms zeigte sich Samsung zuversichtlich: «Nach gründlicher Inspektion ist sich das Unternehmen nun sicher, Probleme mit dem Akku bei den Galaxy-Note-7-Austauschgeräten vollständig behoben zu haben», hiess es. Doch nach Berichten von Handybesitzern, deren Austauschgeräte ebenfalls Feuer gefangen hatten, sah sich Samsung gezwungen, die Reissleine zu ziehen. Lange hatte man bei einem der letzten global agierenden Mischkonzerne der Welt geglaubt, der Akku-Krise sei beizukommen. Nun steht dem Riesenkonzern ein finanzielles und imagemässiges Debakel ins Haus – und das zu Beginn des lukrativen Weihnachtsgeschäfts.

Vor allem, dass nun auch die Austauschgeräte fehlerhaft sind, sei für Samsung ein grosses Problem, sagt Alexander Haldemann, Chef der Markenagentur Meta Design in Zürich. «Ehrlichkeit eines Unternehmens im Umgang mit den Konsumenten ist eines der höchsten Güter. Samsung aber hat den Konsumenten anscheinend etwas vorgemacht und muss nun für das damit verbundene Risiko den Preis zahlen.» Der Reputationsschaden sei gegeben, sagt Haldemann. Doch: «Die Marke Samsung ist langfristig nicht gefährdet.»

Dafür nennt der Experte drei Gründe: Erstens helfe Samsung hier die breite Diversifizierung und der in den zahlreichen Geschäftssparten gute Ruf. Zweitens schützten gute Marken langfristig vor kurzfristigem Reputationsschaden, «sie sind wie Kapital, das man einbezahlt hat, und von dem man zehren kann». Und drittens nehme die Untermarke Galaxy einen Teil des Schadens von der Marke Samsung weg. Klar ist laut dem Experten allerdings, dass Samsung nun ehrlich kommunizieren muss und dass die nächsten zwei, drei Smartphone-Generationen «tadellos funktionieren» müssen.

Gut findet Haldemann, dass Samsung den betroffenen Kunden entweder das Geld zurückerstatten will oder ihnen ein anderes Gerät anbietet, auch wenn die Südkoreaner eigentlich zu spät dran seien.

Aktie befindet sich im freien Fall

Auf klärende Worte muss die Öffentlichkeit jedoch noch ein wenig warten: Die Fragen, wie viele Smartphones in der Schweiz betroffen sind, wie viele umgetauscht wurden und ob es bei umgetauschten Handys zu Akku-Explosionen gekommen ist, beantwortet das Unternehmen nicht. Auf Anfrage heisst es bei Samsung Schweiz, man untersuche die aktuellen Zwischenfälle. «Zum Schutz unserer Kunden haben wir den Verkauf und den Austausch gestoppt und uns dazu entschieden, die Produktion der Geräte dauerhaft einzustellen. Unsere Kunden bitten wir, sowohl alte Galaxy Note 7 wie auch neue, bereits ausgetauschte Modelle, umgehend auszuschalten und nicht weiterzubenutzen. In Kürze werden wir Informationen zum Rücknahmeprozess bereitstellen.»

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Quelle: Yahoo Finance

Die Anleger haben derweil reagiert: Unmittelbar nach der Bekanntgabe des Verkaufsstopps gestern Morgen sackte die Samsung-Aktie ab und befand sich im Verlaufe des Tages im freien Fall (siehe Grafik). An der Börse in Seoul verloren die Papiere rund 8 Prozent und schlossen bei 1,545 Millionen Won (etwa 1349 Franken) pro Aktie. Das entspricht dem grössten Tagesverlust seit 2008. Bereits seit einigen Tagen werden die Samsung-Papiere aufgrund der anhaltenden Negativmeldungen rege verkauft. ■

(Dieser Artikel ist in leicht anderer Form erschienen am 12. Oktober 2016 in der «Luzerner Zeitung» und im «St. Galler Tagblatt».)