Quälvideo sorgt für Empörung


Quelle: Youtube/LiveStreamTVNews

Chicago – Vier Schwarze misshandeln in den USA einen geistig behinderten Jugendlichen schwer. Dies hat die Debatte um rassistisch motivierte Gewalt neu entfacht.

Von Livio Brandenberg

Bekannt sind aus den USA Meldungen über weisse Polizisten, die teilweise unbewaffnete Schwarze mit Schlägen traktieren, würgen oder sogar auf offener Strasse erschiessen. Seit Donnerstag sorgt nun ein ebenso verstörendes Ereignis für Unverständnis, Empörung und Wut in der US-Bevölkerung. Am letzten Samstag haben vier junge Schwarze in Chicago einen weissen, geistig behinderten Jugendlichen gefangen genommen, ihn dann stundenlang misshandelt, sich dabei gefilmt und die Bilder live auf Facebook gestreamt. Danach liessen sie ihn laufen.

Gestern wurden die vier Afroamerikaner nun wegen Kidnapping, Misshandlung mit einer tödlichen Waffe und Hassverbrechen – «Hate Crime» – angeklagt. Diese Anklage wird erhoben, wenn Verdacht auf Rassismus vorliegt. Laut der Polizei handelt es sich bei den Festgenommenen um zwei 18-jährige Männer und zwei Schwestern im Alter von 18 und 24 Jahren. Alle seien geständig, doch sie zeigten keine Reue. Als «Hate Crime» wird definiert, wenn jemand wegen seiner Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Religion, Herkunft, sexuellen Orientierung, körperlichen oder geistigen Behinderung als Opfer ausgewählt wurde.

«Abscheuliche Tat»

Das Video, welches eine junge Frau – keine der Beteiligten – Anfang letzte Woche hochlud und welches sich rasend schnell im Netz verbreitete, zeigt einen verängstigten Jugendlichen in einem Kapuzenpullover und Trainerhosen, in einer Ecke einer Wohnung kauernd, an den Handgelenken und am Hals ist er mit Bändern gefesselt, sein Mund ist mit Klebeband zugeklebt.

Zu sehen ist alsdann, wie zwei schwarze Männer das Sweatshirt des Opfers mit einem Messer zerschneiden, dabei den Gefesselten immer wieder schlagen, gegen den Kopf treten, beschimpfen und auslachen. Gefilmt wurde auch, wie die zwei Männer mit demselben Messer die Haare des Opfers abschneiden und ihm die Kopfhaut aufschlitzen. Später ist eine blutende Wunde erkennbar. Weiter wird das Opfer mit Zigarettenasche verletzt und gezwungen, Wasser aus einer Toilette zu trinken.

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«Wenn es umgekehrt gewesen wäre, wenn also vier Weisse das mit einem Afroamerikaner gemacht hätten, wäre das Land ausser Rand und Band.»

– Newt Gingrich (73), Republikanischer Politiker
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Im rund 30-minütigen Film sieht man die Gruppe auch Alkohol trinken, Marihuana rauchen und Musik hören. Mehrere Personen rufen immer wieder «Fuck Donald Trump!» («Scheiss auf Donald Trump!») und «Fuck white people!». Einer der Männer sagt, der gefesselte weisse Teenager «repräsentiere Trump». Ob es sich beim Opfer um einen Unterstützer Trumps handelt, ist laut der Polizei von Chicago allerdings unklar. Der Jugendliche konnte inzwischen das Spital verlassen, ist aber laut Polizei schwer traumatisiert und kaum zu einer Aussage fähig.

Präsident Barack Obama, nannte die Tat in einer Stellungnahme «abscheulich». Im Hinblick auf die Spannungen zwischen schwarzen und weissen Amerikanern träten nun «viele Probleme» zu Tage, «die schon seit langem bestehen».

Konservativen sind empört

Für Empörung, vor allem in konservativen Kreisen, sorgte die erste Stellungnahme der Chicagoer Polizei, in der es hiess, es sei zu früh, um zu sagen, ob die Attacke einen rassistischen Hintergrund habe. Aber auch Stimmen aus der Politik: Etwa die demokratische Strategieberaterin und ehemalige Pressechefin des Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders, Symone Sanders, sagte kurz nach dem Bekanntwerden des Vorfalls, es handle sich «nicht um ein ‹Hate Crime›», sondern um eine politische Tat. Später revidierte sie ihre Aussage und räumte ein, die Anklage sei gerechtfertigt.

Die Reaktionen von konservativer Seite liessen nicht lange auf sich warten. «Wenn es umgekehrt gewesen wäre, wenn also vier Weisse das mit einem Afroamerikaner gemacht hätten, wäre das Land ausser Rand und Band», sagte beispielsweise der Republikaner Newt Gingrich (73). «Dann wäre es keine Frage, ob es sich um ein ‹Hate Crime› handle», so der ehemalige Speaker des Repräsentantenhauses. Inzwischen sind auch die Strafverfolgungs­behörden von Chicago zu diesem Schluss gekommen. ■

(Dieser Artikel ist in leicht anderer Form erschienen am 7. Januar 2017 in der «Luzerner Zeitung» und dem «St. Galler Tagblatt».)