Die wichtigsten Fragen nach dem Super Bowl: Manning, Manziel, Luck, Hardy und die L.A. Rams

Broncos-Fans beim Super Bowl 50. War dies das letzte Spiel von Peyton Manning? Bild: Steve Jurvetson, Flickr

Broncos Fans beim Super Bowl 50 in Santa Clara, Kalifornien. War dies das letzte Spiel von Peyton Manning? Bild: Steve Jurvetson, Flickr

American Football – Nach der Saison ist vor der Saison. Wie jedes Jahr beginnen gleich nach der Krönung der Super-Bowl-Champions die Spekulationen und Gerüchte über Wechsel, Rücktritte und Millionenverträge. Wir spekulieren mit und erörtern die drängendsten Fragen.

Von Livio Brandenberg

–  Tritt Peyton Manning nach seinem zweiten Super-Bowl-Triumph zurück? 

Die Frage überhaupt, die Gretchenfrage («Wie hast du’s mit dem Rücktritt?», quasi). Manning selbst hält sich bedeckt, er lasse jetzt alles erst einmal sacken, man solle nie emotionale Entscheidungen treffen (ein Rat seines ehemaligen Coaches Tony Dungy), er lasse sich Zeit, so der zukünftige Hall-of-Fame-Quarterback. Noch nach dem Sieg im AFC Championships Game über New England, fingen Mikrofone auf, wie der «Sheriff» zu Patriots-Coach Bill Belichick sagt, dies sei möglicherweise «sein letztes Rodeo» (gemeint war der diesjährige Trip zum Super Bowl).

Manning ist nach dem AFL-NFL-Merger der erste und einzige Quarterback, der mit zwei verschiedenen Teams Meister wurde. In den Fünfziger- und Sechzigerjahren gelang dies nur Norm van Brocklin. Manning ist einer der wenigen Quarterbacks oder Spieler überhaupt, die zwei Lombardi-Trophäen gewinnen können, und Manning wird im März 40 Jahre alt. Während Besagter ins Disneyland ging, stehen alle Zeichen auf Rücktritt. Klar ist, dass die Denver Broncos die nächste Saison und die kommenden Jahre ohne Manning planen.

–  Wird Andrew Luck der höchstbezahlte Spieler der NFL?

Der Franchise-Quarterback fehlte den Indianapolis Colts vergangene Saison zwar neun ganze Spiele, eine Schulterverletzung, und, wie später auskam, eine angerissene Niere setzten den 26-Jährigen ausser Gefecht). Dennoch werden die Colts Luck mit einem Langzeitvertrag an die Organisation binden. Nach vier Jahren in der Liga ist nun der Moment, um mit Luck zu verhandeln. Bisher waren seine Dienste im von der Liga durchregulierten Rookievertrag geregelt.

Andere Quarterbacks des 2012er-Drafts haben Vertragsverlängerungen erhalten: Russell Wilson unterschrieb bei Seattle über vier Jahre für 87,6 Millionen US-Dollar; Ryan Tannehill verlängerte bei den Miami Dolphins ebenfalls für vier Jahre, für 77 Millionen Dollar. Nun ist also Luck dran, der wohl talentierteste der drei Jungstars, der noch Luft nach oben hat (zu viele Interceptions).

Der NFL-Salary-Cap, also die Gesamtobergrenze, die ein Team für Spielerlöhne ausgeben darf (geregelt im Gesamtarbeitsvertrag der Liga), dürfte laut Experten für die kommenden Jahre weiter ansteigen. Dies, weil die NFL mit TV-Rechten sowie Merchandising- und Online-Rechten jedes Jahr höhere Milliardenerträge erzielt. Dieses Geld muss, so sehen es die NFL-Regeln vor, auch den Spielern zugutekommen. Das heisst: Die Löhne der Spieler, und vor allem der Topspieler, steigen weiter an (siehe die bestbezahlten NFL-Spieler in der Tabelle unten). Einige Journalisten munkeln, Luck könnte der erste 200-Millionen-Mann der NFL werden.

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Die höchsten Löhne von NFL-Spielern 2016, Stand 16.02.16
Durchschnittslohn *  pro Jahr in US-Dollar

Spieler                        Position                    Lohn

Aaron Rodgers             Quarterback                 22,0 Mio.

Russell Wilson             Quarterback                 21,9 Mio.

Ben Roethlisberger     Quarterback                 21,85 Mio.

Eli Manning                  Quarterback                 21,0 Mio.

Philip Rivers                 Quarterback                 20,813 Mio.

* Zusätzlich zu den Basislöhnen wird bei Vertragsunterzeichnung auch ein Bonus ausbezahlt, welcher hier nicht berücksichtigt ist.
Quelle: Spotrac
Eine umfassende Auflistung ist zu finden unter www.spotrac.com.
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So weit wird es kaum kommen, doch bis zu 25 Millionen Dollar jährlich sind absolut möglich. Bei einer Vertragsdauer von fünf Jahren wären das 125 Millionen. Vielleicht verlangt Luck auch noch mehr (seinen bescheidenen Charakter in Betracht gezogen, trifft eine derartige Forderung jedoch kaum ein). Klar ist: Die Summe von Lucks erstem grossen Vertrag wird neunstellig ausfallen, 20 Millionen Jahresgehalt wird die untere Verhandlungsgrenze sein, das bestätigte Colts-Eigentümer Jim Irsay diese Woche. Weiter sagte Irsay, die Summe werde «schockierend» ausfallen. Selten lehnt sich ein Eigentümer oder General Manager bei Beginn oder während Vertragsverhandlungen so aus dem Fenster. Viel Verhandlungsspielraum lässt sich Milliardär Irsay damit jedenfalls nicht. Diesen hätten die Colts aber so oder so nicht gehabt, sie werden Luck bezahlen. So viel steht fest.

–  Werden die Los Angeles Rams wieder zu den weiss-blauen Jerseys zurückkehren?

Kurz nach ihrem Umzug von St. Louis nach L.A. haben die Rams ihr«neues» Logo vorgestellt. Auf weitere Neuerungen müssen die Fans vorerst warten. Falls das L.A.-Rams-Logo ein Vorbote kommender Anpassungen der team identity ist, dann wird sich nicht viel ändern. Was schade wäre. Eine relocation, obendrein zurück an die alte Stätte, böte den perfekten Anlass, den überholten äusseren Auftritt der Rams aufzumotzen. Von 1964 bis 1972 trugen die L.A. Rams weisse Jerseys mit royalblauen Akzenten (Schulter- sowie Beinstreifen).


Auch wenn das Trikot stark an die weisse Variante der Indianapolis-Colts-Uniformen erinnert, eine Rückkehr zu den weiss-blauen oder zumindest zu den royalblau-goldgelben Jerseys wäre wünschenswert. Auch die Fans, so scheint es, sehnen einen Wechsel herbei: Laut einer Online-Umfrage von SB Nation will die Mehrheit der Rams-Fans die weiss-blauen Jerseys aus der damaligen L.A.-Zeit zurück.

Was uns zum Hauptgrund für den Umzug der Rams nach L.A. bringt: Der Markt in und um Los Angeles ist enorm. Mit dem Umzug nach Südkalifornien dürfte sich der Wert der Rams-franchise laut Einschätzungen von Forbes etwa verdoppelt haben, von 1,45 Milliarden US-Dollar auf 2,9 Milliarden Dollar. (Welche Rolle Geld gespielt hat und wie die relocation hinter den Kulissen vorbereitet und vollzogen wurde, ist in diesem lesenswerten Hintergrundartikel detailliert nachgezeichnet.) Die Fans in L.A. wollen neues Merchandise: neue Caps, neue T-Shirts, neue Jerseys. Ein neues (altes) Trikot, um die neue Identität in der Grossregion Los Angeles zu verankern, wäre für die L.A. Rams auch finanziell ein sich äusserst lohnender Zug.

–  Was wird aus Johnny Manziel?  

Vor gut zwei Jahren schrieb ich im Rahmen einer Vorschau auf die NFL-Saison in der «Neuen Luzerner Zeitung» ein Porträt über den jungen, ungezügelten, spektakulär aufspielenden Quarterback aus Texas, der die NFL aufmischen wollte. Bereits damals war bekannt, dass «Johnny Football», so Manziels cooler und zugleich schmeichelnder nickname, kein Kind von Traurigkeit ist. Diverse mittelschwere Zwischenfälle (Barprügelei, Vorweisen eines gefälschten Ausweises) brachten die Zweifler und Mahner aufs Tapet. Vor den Kameras und Mikrofonen wusste sich Manziel jederzeit bestens zu benehmen, sagte stets die richtigen Dinge. Schliesslich drafteten ihn die förmlich nach einem Quarterback dürstenden Cleveland Browns gegen Ende der ersten Runde. Was seither geschah, gleicht einem (Kurz-)Aufstieg und Fall, wie ihn Hollywood nicht dramatischer hätte inszenieren können.

Manziel fiel vor allem dadurch auf, unvorbereitet bei Teammeetings und Trainings aufzutauchen, sich zu verspäten und auf dem Feld (Ende seiner ersten Saison) völlig überfordert zu sein. In der letzten offseason schien der Jungstar die Reissleine selbst zu ziehen: Er wies sich (oder waren es andere?) in eine Entzugsklinik ein. Wovon er runterkommen musste, hat Manziel oder sein Umfeld nie gesagt, doch seine bekannte Schwäche für Alkohol, auch unter der Woche (und direkt aus Flaschen; teilweise sogar auf aufblasbaren Schwänen), lässt es erahnen. Skip Bayless, einer der pointiertesten Sportkommentatoren der USA bezeichnete ihn in seiner Sendung «First Take» auf ESPN offen als «Alkoholiker».

Zu Beginn der vergangenen Saison schien es mit Johnny Football aufwärts zu gehen, der junge Wilde schien begriffen zu haben, was es braucht, um in der harten NFL zu bestehen. Doch im Verlaufe der Spielzeit fiel Johnny Football in sein altes Muster zurück: Verspätungen, Parties in Vegas, Videos mit Champagnerflaschen in den Sozialen Medien, sogar betrunken im Training aufgetaucht soll der 23-Jährige sein, dazu eine polizeiliche Untersuchung in Cleveland, wo Manziel auf einer Autobahnausfahrt den Wagen parkierte und laut mit seiner Freundin stritt. Eine exakte Auflistung aller Geschehnisse mit und rund um Johnny Manziel seit dem Draft findet sich hier.

Am 5. Februar folgte schliesslich der bisherige Tiefpunkt: Die Polizei in Dallas startet ein Ermittlungsverfahren gegen Manziel wegen häuslicher Gewalt; der Quarterback soll seine Freundin nach einem lauten Streit in einem Hotel in Downtown Dallas an den Haaren gerissen, geschlagen und massiv bedroht haben. Nach zwei Jahren hat sein Team nun genug: Die Browns haben laut dem Sender ESPN, der sich auf eine Quelle beruft, bereits vor diesem Verfahren entschieden, Manziel freizustellen.

Ab März ist Johnny Football also arbeitslos; die Frage ist, wie lange? Das Interesse an den Diensten Manziels wird sich in Grenzen halten. Kein Team will sich den medialen Zirkus und einen Störenfried aufhalsen. Als einzige Möglichkeit sehen viele Experten eine Rückkehr nach Texas; am ehesten zu den Dallas Cowboys. Doch nach den letzten Anschuldigungen scheinen auch die Cowboys nicht mehr interessiert. Und als wären diese Aussichten nicht problematisch genug, liess ihn auch noch sein Agent fallen

Wichtiger scheint derzeit sowieso die Frage, was wird aus Johnny Manziel – der Person, nicht dem Footballspieler. Jüngst meldete sich sein Vater Paul via Interview in der Tageszeitung «The Dallas Morning News»: Er habe zwei Mal erfolglos versucht, seinen Sohn erneut zu einem Entzug zu bewegen. Falls es so weitergehe, befürchte er, Johnny werde seinen 24. Geburtstag nicht erleben.

–  Wird Greg Hardy je wieder in der NFL spielen?

Wenn ja, bei welchem Team? Im vergangenen November tauchten Fotos auf, die Teil waren eines Deadspin-Artikels, der fast minutengenau beschreibt, was in der Nacht vom 12. auf den 13. Mai 2014 in Downtown Charlotte geschah. Die Polizeifotos von den Verletzungen der on-and-off-Freundin des damaligen Carolina Panthers defensive end Greg Hardy sorgten für Entsetzen (zu Recht). Hardy hatte, so und nur so ist aus dem Artikel im Zusammenspiel mit den Fotos und den Polizeiprotokollen zu schliessen, seine damalige Liebesbekanntschaft in einem Eifersuchtsanfall grün und blau geprügelt. Hardy, 1 Meter 96 bei knapp 130 Kilo, schleuderte sein maximal halb so schweres Opfer unter anderem auf eine Couch, auf der mindestens drei Sturmgewehre lagen.

Ein klarer Fall, würde man meinen. Doch Hardy erzählte eine andere Version der Geschehnisse, nach der er angegriffen worden sei; und auch Mitglieder seiner Entourage gaben zu Protokoll, es sei alles anders gewesen, sie hätten nichts gehört und nichts gesehen. Hardy wurde schliesslich freigesprochen, weil sich die damalige Freundin aus dem Staub machte und nicht mehr gegen ihn aussagen wollte. Die Betroffene war zwar auf Facebook zu finden, wo sie Fotos postete, unter anderem von sich in Colorado, New York oder auch in Charlotte. Ob sie noch (oder wieder) Kontakt zu Greg Hardy aufgenommen hatte, ist nicht klar. Doch bestätigte die Polizei, sie habe klare Hinweise, dass sich sein einstiges Opfer mit Hardy, für den Geld kein Problem darstellt, privat geeinigt hatte. Der Footballmillionär dürfte der Frau eine hohe Summe (wohl bis zu mehreren Millionen) gezahlt haben; im Gegenzug musste sie schweigen und untertauchen.

Der Weg für Hardy war damit offen, um seine Karriere fortzusetzen. Im Februar 2015, nach einer Saison, in der er wegen seiner Festnahme und der folgenden Sperre während den Gerichtsverhandlungen, nur in einem Spiel gespielt hatte, verlängerten die Panthers den Vertrag mit Hardy nicht. Rund einen Monat später verpflichteten ihn die Dallas Cowboys für ein Jahr. Das war bevor die Fotos und der Bericht mit allen Einzelheiten an die Öffentlichkeit kam. Doch die Cowboys haben laut eigenen Angaben intensiv mit Hardy über die legalen Probleme und die Schwere der Tat gesprochen. Die Tampa Bay Buccaneers waren gemäss Berichten ebenfalls am Verteidiger interessiert, doch hätten schliesslich «kein gutes Gefühl gehabt» bei der Sache, wie General Manager Jason Licht rückblickend sagt. Vielleicht haben die Buccaneers-Verantwortlichen auch bereits mehr gewusst oder zumindest vermutet. Als im Spätherbst dann die Fotos aufgetaucht sind, konnte sich kein Verantwortlicher der Cowboys mehr der Realität entziehen, dennoch taten sie es. Hardy durfte bleiben, weitere Eskapaden folgten (Zuspätkommen, wilde Parties, Rangelei mit einem Coach, unkollegiales Verhalten, deplatzierte Kommentare über Spielerfrauen). Nach dem Ende der Saison, in der Hardy auch auf dem Feld enttäuschte (nur 6 sacks), wollen auch die Cowboys nicht mehr mit dem Querulanten zu tun haben und scheinen an einer weiteren Zusammenarbeit nicht interessiert.

Was uns zur Frage zurückbringt: Wird Greg Hardy nach all diesen Negativberichten und mit seiner Vergangenheit je wieder für ein NFL-Team auflaufen? Eine Online-Petition, die verlangt, dass Greg Hardy für immer von der NFL ausgeschlossen wird, zählt bereits über 92 000 Unterschriften. Den Betroffenen wird das nicht interessieren. Doch die Teams, auch jene mit grossem Bedürfnis an Defensivtalenten – diese Saison hat es einmal mehr gezeigt: defense wins championships –, werden sich kaum die Finger an der heissen Kartoffel Greg Hardy verbrennen. Wenn sogar der exzentrische Cowboys-Eigentümer Jerry Jones, der sein Team wiederholt als letztes Refugium für gefallene oder problembehaftete Spieler zur Verfügung stellte (Johnny Manziel, anyone?), Hardy gehen lässt, dann scheint dessen Zeit abgelaufen.

Das Bewusstsein betreffend Gewalt und anderen Gesetzesübertretungen hat in der Liga in den letzten zwei, drei Jahren stark zugenommen. Der Fokus liegt auf einer sauberen Liga, die über die Grenzen des Sports hinaus eine Qualität, eine Verantwortung, ja: ein Lebensgefühl vertreten und verkaufen will. (Rechtlich sind der NFL die Hände gebunden; Hardy ist offiziell kein verurteilter Krimineller.) Und die Eigentümer dieser Liga sind die Clubbesitzer. Für Problemspieler und zu Gewalt neigende Persönlichkeiten wie Greg Hardy gibt es mit jedem Jahr weniger Platz in dieser Interessengemeinschaft. ■