Die Post lässt Werber in ihre Filialen und verkauft so die Wartezeit der Kunden

Postfiliale

Die Post gibt werbewilligen Firmen und Organisationen die Möglichkeit, ihre Kunden in den Schalterhallen direkt anzusprechen, Bild: PD Post

Werbung – Während die Kunden warten, sollen sie auch beworben werden dürfen, findet die Post. Und bietet darum Firmen und gemeinnützigen Organisationen die Möglichkeit, Flächen in Poststellen zu mieten.

Von Livio Brandenberg

Die Schweizerische Post verkauft sogenannte Promotionsflächen in ihren Poststellen an Organisationen, die Spenden sammeln, oder auch an Firmen. Konkret tönt das so: «Die 2 x 2 m grossen Promotionsflächen, die sich in über 100 Poststellen in der ganzen Schweiz buchen lassen, bieten Platz für das persönliche Gespräch mit potenziellen Kunden. Egal, ob Sie mit Ihrem Promoteam eine Degustation durchführen, Flyer oder Warenmuster überreichen, Fundraising betreiben oder die Promotionsfläche als Verkaufsplattform nutzen: Sie begegnen einer grossen Zahl von Interessenten in einer vor Wind und Wetter geschützten, entspannten Atmosphäre», wie auf der Post-Website zu lesen ist.

«Meist einige Minuten Zeit»

Aber nicht nur Flächen können gemietet werden. Auch Plakate können Werbewillige aufhängen lassen. Die Post gibt online gleich Tipps: Sie rät, speziell in Kombination mit dem Verteilen von Gratismustern, zu Postern im A3-Format.

Und sie kommuniziert dabei erstaunlich offen: In der Poststelle würden die Plakate «ganz besonders effektiv» wirken. Denn: «Während bei Plakatstandorten auf offener Strasse kaum jemand stehen bleibt, um ein Plakat anzuschauen oder gar den Text zu lesen, ist in der Poststelle genau das die Regel», schreiben die Werbespezialisten der Post. Der Grund, warum das so ist, liefert die Online-Broschüre gleich nach: «Hier haben Kundinnen und Kunden meist einige Minuten Zeit, Ihr Plakat in aller Ruhe zu betrachten. So viel Aufmerksamkeit können Sie für Ihre Botschaft sonst fast nirgends verbuchen.»

Weiter preist die Post ihre Filialen als «dichtes Netz von Points of Sales» an, welches helfen soll, «Werbung nach Mass» zu streuen. Ein Tarifdokument, welches man runterladen kann, enthält alle nötigen Informationen zu den Preisen: Eine Promotionsfläche in einer mittelgrossen Poststelle kann für 300 pro Tag gemietet werden. In diese Kategorie teilt die Post Filialen ein, die sich «im Zentrum mittlerer Städte und Agglomerationen» befinden und die «durchschnittlich 500 Kunden pro Tag» bedienen (siehe Tabelle unten). Die Poststelle in der Universität Luzern ist ein Beispiel. In den grössten, meistfrequentierten Schalterhallen in den grossen Städten – etwa der Sihlpost in Zürich – kostet der gleiche, 4 Quadratmeter grosse Werbeboden 400 Franken am Tag. Schliesslich können, so die Post, dort bis zu «durchschnittlich 1550 Kunden pro Tag» erreicht werden. Werben mit der und durch die Post und ihr nach wie vor grosses Filialnetz – «PubliPoste» nennt der Schweizer Brief- und Paketmonopolist das.

Die Post beruhigt und schliesst die Konkurrenz aus

Dabei macht die Post keinerlei Hehl daraus, dass sie die Zeit ihrer Kunden verkauft, genauer: die Zeit, die sie ihre Kunden warten lässt. Das wird beim Betrachten der Website schnell klar: Die Post schreibt von einer «grossen Zahl von potenziellen Kunden in geschützter und entspannter Atmosphäre», die «ein bisschen Zeit» haben. Ob die wartenden Kunden dieses Einnahmemodell der Post auch so entspannt sehen, ist nicht klar. Bisher habe es aber nur «ganz wenige» Reklamationen von Kunden gegeben, wird Post-Sprecher Bernhard Bürki im «Tages-Anzeiger» vom letzten Samstag zitiert. Der Konsumentenschutz hat die Post aber bereits kritisiert. In den Postfilialen müssten die Leute in Ruhe ihre Postgeschäfte abwickeln können, «ohne dass sie dabei von Werbung bedrängt werden», so Cécile Thomi von der Stiftung für Konsumentenschutz zum «Tages-Anzeiger».

Poststellen Gruppierung 1

Poststellen Regionale GRuppierung

Tabelle: Screen shot Post

Bedrängt werden darf in den Schalterräumen aber niemand. Sogenanntes Hardselling, also harte, aggressive Verkaufstaktiken verbietet die Post explizit. Auch dürfen laut Sprecher Bürki zu keinem Zeitpunkt mehr als zwei Personen im gleichen Schalterraum gleichzeitig werben. Die Post hat sich und ihren Werbekunden einen Regelkatalog verordnet, der zum Beispiel Werbung, «die gegen die Interessen der Post verstösst» verbietet. Dabei denkt man automatisch an weitere Produkte und Inhalte, die aufgelistet sind: keine Werbung für alkoholische Getränke, Spirituosen oder Medikamente, keine religiösen, pornografischen oder politischen Kampagnen. Doch gegen die Interessen der Post verstösst auch, wer «insbesondere Unternehmen oder Personen erwähnt, die ebenfalls Post- und Zahlungsverkehrsdienstleistungen Finanzgeschäftesowie Produkte, welche die Post im Auftrage Dritter in Poststellen verkauft, anbieten». Mit anderen Worten heisst das: Banken, wohl auch Versicherungen, aber auch ein Zahlungs-App-Startup dürfen keine Promotionsfläche mieten. Die eigene Konkurrenz will man nicht im Haus.

Prospekte und Warenmuster durch Postpersonal abgeben lassen

Ein Auflauf von Werbern ist bei der Post also nicht z erwarten. Vielmehr als das vom Konsumentschutz befürchtete Bedrängen der Kunden sollte der Aspekt der Wartezeit hinterfragt werden. Wer auf die Post muss, hat ein klares Ziel: etwas abholen, etwas aufgeben, Briefmarken kaufen. Das sollte möglichst schnell gehen. Viele Kunden suchen eine Poststelle auf während der Arbeitszeit, auf dem Weg von A nach B oder kurz vor oder nach der Mittagspause. Kunden haben nicht einfach, aus Prinzip und automatisch quasi, Zeit, wenn sie eine Postfiliale betreten, wie das die Post suggeriert. Es mutet daher seltsam an, wenn der Anbieter, der in diesen Geschäftsfeldern – eingeschriebene Post, Brief- und Paketdienste – der Hauptanbieter und Quasi-Monopolist ist, die Wartezeit seiner Kunden durch das Zulassen von Werbeaktionen in seinen Räumlichkeiten eher noch verlängert als verkürzt.

Zur Veranschaulichung dient das wohl eilfertigste Angebot unter den «pöstlichen» Werbedienstleistungen, die sogenannte «Schalterabgabe»: «Der (Werbe-)Kunde kann Prospekte und Warenmuster durch das Postpersonal abgeben lassen.» Verkürzen dürfte sich dadurch zumindest bei einigen Postkunden der Geduldsfaden. ■