Teilzeitarbeit als Falle für Mütter?

Grafik Erwerbstätigkeit

Grafik: «Neue Luzerner Zeitung» vom 25. Mai 2016

Familie – Die neuesten Zahlen zeigen: Immer mehr Frauen gehen nach der Geburt eines Kindes in die Arbeitswelt zurück. Dass dies oft in Teilzeitanstellungen geschehe, berge Risiken, sagt eine Expertin.

Von Livio Brandenberg

Wie gehen Familie und Beruf zusammen? Soll eine Mutter kurz nach der Geburt wieder arbeiten gehen? Wenn ja, wann und in welchem Pensum? Diese Fragen beschäftigen seit Jahren Eltern – vor allem Mütter –, Politiker und Arbeitgeber. Die neuesten Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS) zur Erwerbssituation von Müttern und Vätern, die gestern veröffentlicht wurden, zeigen, wie sich die Arbeitssituation von Frauen mit Kindern im letzten Jahrzehnt entwickelt hat und auch, wo in der Schweiz nach wie vor Unzufriedenheit herrscht.

Noch 1992 arbeiteten gut 47 Prozent der Mütter mit Kindern zwischen 0 und 14 Jahren gar nicht. Heute sind es nur noch halb so viele (siehe Grafik, blaue Kurve). Der Grund für die höhere Erwerbstätigkeit: Immer häufiger reicht laut BFS ein Lohn nicht aus, um eine Familie zu ernähren. Zudem verfügen Frauen über immer bessere Ausbildungen und wollen wegen der Kinder nicht gänzlich auf den Beruf verzichten.

Vollzeitarbeit ist eine Seltenheit

Diese Einschätzung teilt Monika Pfaffinger * (41), Vizepräsidentin der Eidgenössischen Koordinationskommission für Familienfragen (EKFF) und Assistenzprofessorin an der Universität Luzern: «Der Trend ist klar: Die Mehrheit der Frauen begibt sich heute nicht in eine ‹Hausfrauenehe›.» Dass dies früher eher der Fall war, sei auf den Wohlstand in unserem Land zurückzuführen: «In der Schweiz konnten wir es uns lange leisten zu sagen: Ein Einkommen – das des Mannes – reicht für das Auskommen einer Familie. Heute ist das nicht mehr so», sagt Pfaffinger. Dazu müsse man sehen, dass Schweizer Frauen heute das gleiche Bildungsniveau haben wie die Männer.

Monika Pfaffinger

Monika Pfaffinger, Bild: Unilu

Die zentrale Frage ist laut Monika Pfaffinger aber ohnehin: «Wie viele Frauen gehen in absehbarer Zeit nach der Geburt eines Kindes in ein 80- bis 100-Prozent-Pensum zurück?» Sie spielt damit auf den Umstand an, dass der Grossteil der Frauen nach einer Geburt in einem – oftmals eher tiefen – Teilzeitpensum in den Arbeitsmarkt zurückkehrt. Gemäss BFS arbeiten nur in gut 11 Prozent der Haushalte, in dem das jüngste Kind unter 14 Jahre alt ist, beide Partner Vollzeit. «Oft ist zu hören, Teilzeit sei das Rezept, die Lösung für das Vereinbarkeitsproblem», sagt Pfaffinger. «Doch Teilzeitarbeit ist vielmehr eine Falle: Sie ist ein Karrierehemmer, die Lohneinbussen sind markant, die AHV-Beiträge sind tiefer, oft übernimmt die Frau trotzdem den Grossteil der Aufgaben im Haushalt, und dazu geht der Teilzeitlohn meistens für die externe Betreuung drauf.»

Bezahlbare Krippenplätze

Deshalb müsse das heute bestehende System – trotz des Trends, dass immer mehr Mütter wieder arbeiten gehen – weiter angepasst werden, sagt Pfaffinger. Dafür sprechen auch BFS-Zahlen, die zeigen – wenn auch auf tiefem Niveau – , dass der Anteil der Mütter, die Teilzeit arbeiten, jedoch mehr arbeiten möchten, in den letzten zehn Jahren stabil geblieben ist (siehe Grafik, rote Kurve).

Eine Massnahme, die schnell helfen würde, wäre laut Pfaffinger die Schaffung zahlbarer, aber dennoch qualitativ guter Krippenplätze. Die Zahl der Krippenplätze in der Schweiz ist in den letzten Jahren zwar deutlich angestiegen. «Doch die Plätze sind zu teuer, weil der Staat sie nicht hinreichend subventioniert», sagt Pfaffinger. Sie ortet im bestehenden System etwas Paradoxes: «Man sagt, man brauche die hochgebildeten Frauen in der Wirtschaft, doch man schafft die notwendigen Rahmenbedingungen nicht.» Die aktuelle Entwicklung zeige daher eher eine Zementierung der bestehenden Strukturen. Ein weiteres Beispiel dafür sei etwa die hohe Besteuerung des Zweiteinkommens, meint Pfaffinger.

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Grafik: Bundesamt für Statistik (BFS)

24 Wochen Elternurlaub

Ein weiterer Vorschlag, den die EKFF bereits vor einigen Jahren in die Diskussion gebracht hat, ist die Einführung einer geregelten und bezahlten Elternzeit; einer Art «Elternurlaub». Die Kommission um Pfaffinger schlägt 24 Wochen mit verbindlichen Mindestanteilen für beide Elternteile vor.

«Über die genaue Aufteilung wird derzeit intensiv diskutiert», sagt die Vizepräsidentin. Die gestern lancierte Vaterschaftsurlaubsinitiative löst laut Monika Pfaffinger langfristig hingegen keine Probleme: «Die vier Wochen, welche die Initiative fordert, ändern nichts an den bestehenden Strukturen. Die Initiative hat mehr symbolischen Wert.» Dennoch sei ihrer Meinung nach eine Anpassung an internationale Standards nun an der Zeit. ■

* Monika Pfaffinger ist Assistenzprofessorin für Privatrecht mit Schwergewicht ZGB an der Universität Luzern. Sie ist Mutter einer 2011 geborenen Tochter und lebt mit ihrer Familie in Zürich.

(Dieser Artikel ist in leicht anderer Form erschienen am 25. Mai 2016 in der «Neuen Luzerner Zeitung» und im «St. Galler Tagblatt».)