Verfrühte Euphorie nach dem Fall der Sanktionen gegen den Iran

Taleghani Ave Iran

Die USA blockieren weiter: Verhüllte Frau vor der Aussenmauer der ehemaligen US-Botschaft an der Taleghani Avenue in Teheran, Bild: Kamyar Adl, Flickr

Kommentar. Von Livio Brandenberg

Fast ein ganzes Jahrzehnt war der Iran weitgehend vom Weltmarkt abgeschnitten. Am letzten Wochenende sind die Sanktionen gegen Teheran nun gefallen. Die Begeisterung und der Optimismus in den Schweizer Medien – und auch international – ist omnipräsent. Die Schweizer Unternehmen seien gut positioniert, das Wegfallen des Embargos sei eine grosse Chance für die Industrie. Der Iran mit seinen 80 Millionen Einwohnern – etwa so viel wie Deutschland – habe Nachholbedarf bei der Infrastruktur. Unsere Firmen stünden in den Startlöchern.

Falsch ist das alles nicht. Das Marktpotenzial ist da; die Schweizer Exporte in den Iran könnten sich verdreifachen, schätzen Experten. Die entscheidende Frage für die Entwicklung Irans ist aber: Wie schnell wird das Land den internationalen Finanzdienstleistern wieder zugänglich gemacht? Die wohl härtesten Sanktionen betrafen und betreffen die Banken. Schweizer Geldinstitute, die eine US-Banklizenz besitzen oder an den internationalen Zahlungsverkehr angeschlossen sind, mussten während der Wirtschaftsblockade US-Sanktionen mittragen, die deutlich schärfer waren als jene  der Schweiz. Und die US-Behörden führen nach wie vor «schwarze Listen», die den freien Zahlungsverkehr mit iranischen Banken, Firmen oder Individuen verbieten. Bei Zuwiderhandlung drohen hohe Bussen. Geschäfte im Iran müssen weiterhin etwa über China, Russland oder Dubai finanziert werden.

Erst wenn die Sanktionen auch definitiv für die Finanzdienstleister fallen, können Iraner ihre Waren wieder direkt kaufen und bezahlen, kann der Markt also spielen. Bis dahin wird sich nicht viel ändern – auch nicht für die westlichen Firmen. ■

(Dieser Kommentar ist erschienen am 20. Januar 2016 in der «Neuen Luzerner Zeitung».)