Golfstaaten locken Schweizer KMU

Skyline von Dubai mit Burj Khalifa, Bild: Zicarlo van Aalderen, Flickr

Skyline von Dubai mit Burj Khalifa, Bild: Zicarlo van Aalderen, Flickr

Aussenhandel – Die Märkte der arabischen Golfstaaten wachsen. Für Schweizer Unternehmen bieten sich viele Chancen, sagt ein Experte.

Von Livio Brandenberg

Die sechs Länder der arabischen Golfregion Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Kuwait, Katar, Bahrain und Oman – die so genannten Golfstaaten – gehören zu den finanzstärksten der Welt. Der Grund ist der Reichtum an Rohstoffen wie Öl und Gas. Die Golfstaaten kommen zusammen auf ein Bruttoinlandprodukt (BIP) von gut 1000 Milliarden US-Dollar – das entspricht etwa einem Drittel vom BIP Grossbritanniens. Das Pro-Kopf-Bruttosozialprodukt der rund 50 Millionen Einwohner der Golfregion liegt bei rund 46 000 US-Dollar. Ein riesiger Markt, denn die wachsende solvente Mittelschicht hat Bedürfnisse, die von der lokalen Wirtschaft nicht ausreichend abgedeckt werden können. Darum sind die Golfstaaten auf Importe angewiesen. Das macht die Region zum idealen Markt für Schweizer Exporteure mit hochwertigen Produkten.

Dubai als Eintrittstor zum Markt

Für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) in der Schweiz, die in die Golfstaaten-Märkte eintreten wollen, sei Dubai der ideale Einstiegsort, sagt Chris Watts, Regionaldirektor Americas, Africa, Arabia bei der Schweizer Aussenwirtschaftsförderin Switzerland Global Enterprise (S-GE, ehemals Osec). Dubai ist laut Watts die internationalste und liberalste Stadt der Region und bietet eine hervorragende Infrastruktur. So seien die Häfen in Dubai, Abu Dhabi oder Katar Hochleistungsdrehscheiben, verbunden mit Flughäfen, was eine hocheffiziente Logistik erlaube, sagt Watts.

Screen shot Golfstaaten

Karte: «Neue Luzerner Zeitung» vom 5. September 2015

Auch liessen sich in Dubai oder von Dubai aus am besten Kontakte knüpfen oder mit den umliegenden Golfstaaten geschäften, sagt der Regionaldirektor. Er muss es wissen: Watts lebte von 2008 bis 2012 in Dubai und besucht die Länder der arabischen Golfregion regelmässig geschäftlich und privat. Firmen, die in die Golfregion expandieren wollen, werden auf Wunsch vor Ort von S-GE betreut. Unter anderem hilft S-GE, Kontakte aufzubauen, Rechtliches zu regeln und betreibt Stände an Messen. Dort können sich interessierte Schweizer Unternehmen präsentieren oder zuerst auch einfach nur umschauen.

Der Schweizer Käse fehlt

«Wichtig ist, dass möglichst der Chef der Firma persönlich anreist», betont Watts. Für potenzielle arabische Geschäftspartner sei dies ein wichtiges Signal und die Basis einer geschäftlichen Beziehung. «Ich bin überzeugt, dass es in der Schweiz – gerade auch in der Zentralschweiz – viele KMU-Betriebe gibt, die fit wären für den Schritt in den Mittleren Osten», sagt Watts. Der Schweizer Export ist noch immer stark auf die Eurozone ausgerichtet. Das stellt für viele – vor allem exportorientierte – Betriebe ein Klumpenrisiko dar. Sollten Schweizer Firmen vor allem auch deshalb in die Märkte der arabischen Halbinsel einsteigen? «Das ist sicher eine Überlegung. Speziell exportorientierte Unternehmen analysieren standardmässig und permanent die Währungssituation wie auch die Absatzmöglichkeiten in verschiedenen Märkten – eine Diversifizierung ist immer empfehlenswert», sagt Watts. «Zahlreiche Firmen überlegen sich seit den letzten Frankenaufwertungen, über reine Kostensenkungsstrategien hinaus auf den Währungsdruck zu reagieren, indem sie den Schritt in den Mittleren Osten wagen», führt der Wirtschaftsförderer aus.

Mall of the Emirates Dubai Peter Gronemann Flickr

Ein Blick in die Mall of the Emirates in Dubai, Bild: Peter Gronemann, Flickr

Welche Branchen sind für Watts denn geeignet, um in den Markt im Nahen Osten einzusteigen? «Wir sehen etwa grosses Potenzial in der Lebensmittelbranche», sagt Watts. So würden viele Leute in der Region beispielsweise guten Schweizer Käse, Schweizer Schokolade oder Joghurt vermissen. Diese Lebensmittel würden noch viel zu wenig angeboten. Für Watts eine klare Marktlücke.

1 Milliarde weniger Zoll

Den gewichtigsten Vorteil der Golfstaaten für Schweizer Firmen sieht Chris Watts im  Freihandelsabkommen, welches am 1. Juli 2014 für die Schweiz in Kraft getreten ist. Partner in diesem Abkommen ist der Gulf Cooperation Council der sechs Golf-Kooperationsstaaten. Das Abkommen bringt Schweizer Unternehmen in den nächsten zehn Jahren gemäss S-GE Zolleinsparungen von über 1 Milliarde Franken. Dazu komme, so Watts, dass in den Golfstaaten keine Korruption anzutreffen sei. Trotzdem lässt die kulturelle Herausforderung viele Schweizer Unternehmer zögern, in die arabischen Märkte zu expandieren. «Gegenüber den Golfstaaten existieren in der Schweiz teilweise noch Vorbehalte oder ein Gefühl der Unsicherheit – gerade was die Kultur angeht», sagt Watts.

Schweizer Firmen den Golf näherbringen

Auch deshalb führte S-GE am 8. September im Verkehrshaus in Luzern eine Informationsveranstaltung zum Thema Golfstaaten durch. Dort berichteten Schweizer Unternehmer, die in den arabischen Golfstaaten bereits Fuss gefasst haben – etwa Christoph Lindenmeyer, Präsident des Verwaltungsrates der Schindler Management AG –, über ihre Erfahrungen und über mögliche Stolpersteine. Vor Ort waren aber auch arabische Geschäftsleute, die die Schweiz und ihre Wirtschaft schon lange und gut kennen, wie Ali Ahmad Al Najjar, Vorsitzender des Finanzberaters Clearview Group in Dubai. Den Event führte die S-GE in Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz durch.

S-GE Bild Golfstaaten

Bild: Screen shot S-GE

Die nächsten Events finden am 29. Februar 2016 in Zürich und am 1. März in Lausanne statt. ■

(Dieser Artikel ist in leicht anderer Form erschienen am 5. September 2015 in der «Neuen Luzerner Zeitung».)