Die Gesundheitskosten steigen in den kommenden Jahren weniger stark

Gesundheitskosten

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Schweiz – Eine Prognose zeigt: Die Gesundheitskosten in der Schweiz steigen immer noch schneller, als die Gesamtwirtschaft wächst. Doch für die nächsten Jahre kündigt sich eine Verbesserung an, sagen Experten.

Von Livio Brandenberg

Die Gesundheitskosten in der Schweiz wachsen auch in diesem und im nächsten Jahr schneller als die Gesamtwirtschaft. Das teilte die Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich gestern mit. Die KOF hat zusammen mit der Vereinigung unabhängiger Apotheken TopPharm eine sechsmonatige Gesundheitsausgabenprognose erstellt. Basierend auf den Untersuchungen erwartet die KOF, dass die gesamten Gesundheitsausgaben in der Schweiz im Jahr 2015 um 2,8 Prozent steigen. Für das nächste Jahr prognostiziert die Forschungsstelle einen Anstieg von 3,2 Prozent.

Noch einmal neu berechnet hat die KOF auch die Wachstumsraten der Gesundheitsausgaben für 2013 und 2014. Das ist üblich, da in der Schweiz die für verlässliche Prognosen nötigen Daten erst mit einer Zeitverzögerung verfügbar sind. Für 2013 hat die KOF ihre Prognose gestern auf 3,8 Prozent nach unten korrigiert. Im letzten Herbst noch waren die Konjunkturforscher davon ausgegangen, dass die Umstellung der Spitalfinanzierung die Kostenentwicklung der Spitäler deutlich stärker ansteigen lässt. Anfang 2012 wurde schweizweit das neue Tarifsystem «SwissDRG» – für Swiss Diagnosis Related Groups – eingeführt. Bei diesem sogenannten Fallpauschalen-System wird jeder Spitalaufenthalt anhand von bestimmten Kriterien, etwa Hauptdiagnose, Nebendiagnose, Behandlungen und Schweregrad, einer Fallgruppe zugeordnet und pauschal abgerechnet. Im Vorfeld der Umstellung war zwar angekündigt worden, dass diese Tarifumstellung bei den Spitälern kostenneutral ausfallen soll, doch de facto stiegen die Kosten bereits im Jahr 2012 um knapp 10 Prozent.

Kosten steigen trotz Fallpauschalen

Kann man also sagen, dass das Fallpauschalen-System nichts gebracht hat? «Man muss hier vorsichtig sein», sagt Marko Köthenbürger*, Autor der KOF-Studie, auf Anfrage. «Es ist nicht auszuschliessen, dass die Umstellung bei der Spitalfinanzierung einen kostendämpfenden Effekt gehabt hat im Vergleich zu der Situation ohne Umstellung», sagt Köthenbürger. «Wir hätten gerne noch die effektiven Spitalkostenzahlen für 2013 mit in die Studie einbezogen, doch die werden erst demnächst veröffentlicht», sagt der KOF-Studienleiter. Für 2013 hat die KOF  deshalb auch mit Daten der Kostenentwicklung bei den Krankenversicherungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) gerechnet. Laut der gestern veröffentlichten Prognose wird das «SwissDRG»-System jedoch nicht zu einem Rückgang bei den Spitalkosten führen, sagt Köthenbürger. Die KOF erwartet aufgrund der BAG-Zahlen, dass die Wachstumsraten bei den Ausgaben in den Spitälern in den kommenden zwei Jahren weiter moderat sein werden.  Die KOF folgert in ihrer Mittelung daraus, dass «angesichts des Gewichts dieses Ausgabenbereichs» eine generelle «Glättung der Wachstumsraten für die Gesamtausgaben bei der Gesundheit» erwartet werden kann.

Nach dem starken Anstieg der gesamten Gesundheitsausgaben von 5,3 Prozent im 2012 und dem moderateren, immer noch relativ hohen, prognostizierten Wachstum von 3,8 Prozent für 2013 flacht der Anstieg der Gesundheitskosten nun also ein wenig ab. Das hat laut der KOF auch mit der Wiedereinführung des Zulassungsstops für Ärzte zu tun. «Der Zulassungsstop hat eine Auswirkung auf die Ärztedichte in der Schweiz», sagt Marko Köthenbürger. Und dies sei ein Faktor, der in der KOF-Prognose berücksichtigt werde. Die Ärztedichte hänge mit einem Anstieg der Gesundheitskosten zusammen. Doch man dürfe dies nicht verallgemeinern.  Es brauche eine gewisse Anzahl Ärzte, sagt der KOF-Ökonom, doch wenn das Angebot an ärztlichen Leistungen deutlich zu hoch sei, würden auch zu hohe Gesundheitskosten generiert. Wo das «richtige Mass» liege, sei schwierig zu sagen; das habe die KOF in ihrer Studie auch nicht analysiert, so Köthenbürger.

Lohnkosten werden zurückgehen

Einen starken Einfluss auf die Ausgabenentwicklung haben die Lohnkosten im Gesundheitswesen. Die KOF rechnet hier mit einer höheren Arbeitslosigkeit, da sich das konjunkturelle Umfeld nach dem Frankenschock eingetrübt hat. Vor allem Institutionen wie Spitex oder Pflege- und Behindertenheime tragen aber dazu bei, dass die Gesundheitskosten weiter steigen. Im Prognosezeitraum 2013 bis 2016 erhöhen sich die Gesundheitsausgaben stärker als das Bruttoinlandprodukt. 2016 dürfte sich das Total auf fast 80 Milliarden Franken belaufen. Das entspräche einem Anteil von 11,9 Prozent am Bruttoinlandprodukt. «Der Gesundheitssektor wird ein immer wichtigerer Wirtschaftszweig, sagt Köthenbürger. Bereits 2012 wurden 5 Prozent der Wertschöpfung in der Schweiz in der Gesundheitsbranche erwirtschaftet. Heute dürfte dieser Wert noch höher sein. ■

* Prof. Dr. Marko Köthenbürger ist seit Februar 2013 Vizedirektor der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich. Er leitet dort die Division Public Economics. Seine Forschungsschwerpunkte sind Public Economics und Political Economy.

 

(Dieser Artikel ist in leicht anderer Form erschienen am 17. Juni 2015 in der «Neuen Luzerner Zeitung».)