Ein baldiges Ende des Kabelsalats? Ab 2017 soll es nur noch ein Handyladekabel geben

Grafik Kabelsalat Handystecker

Grafik: «Neue Luzerner Zeitung» vom 15. Januar 2016

Mobiltelefonie – Für jedes Handy ein eigenes Ladekabel – damit soll schon bald Schluss sein. Doch der Weg zur Vereinheitlichung dürfte nicht ohne Widerstand erfolgen.

Von Livio Brandenberg

Wer kennt es nicht: Zu Hause in der Schublade liegen etliche alte Handyladekabel – doch keines ist mehr zu gebrauchen. Ein nerviger Kabelsalat. Seit Jahren läuft die Diskussion über eine Vereinheitlichung der Ladekabel bei den Mobiltelefonen. Jetzt hat der Bundesrat Ende November in einer Verordnung festgelegt, dass ab Sommer 2017 «alle auf dem Schweizer Markt vertriebenen Mobiltelefone mit einem einheitlichen Ladegerät kompatibel» sein müssen, wie das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) schreibt. Bereits im März 2014 hatte die Europäische Union (EU) die gleiche Forderung beschlossen. Das Ziel sei, so das Bakom weiter, die technischen Anforderungen in der Schweiz mit denjenigen der EU zu harmonisieren. Der Bundesrat verlangt also von allen Handyherstellern ein einheitliches Ladekabel sowie einheitliche Anschlüsse.

Verschiedene Technologien

Wichtig ist hier, zu unterscheiden zwischen dem Ladegerät und dem Anschluss am Handy, also dem Stecker, der ins Gerät gesteckt wird. Beim Ladegerät hat sich heute mehrheitlich der USB-Standard durchgesetzt. Doch bei den Kabeln beziehungsweise den Steckern sind sich die Hersteller nicht einig. Ein Kabel von Apple, mit dem ein iPhone-Akku aufgeladen werden kann, funktioniert mit einem Samsung-Handy nicht. Apple setzt auf den selbst entwickelten Lightning-Stecker, Samsung verbaut einen Micro-USB-Stecker (siehe Grafik oben).

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Lucio Cocciantelli, Leiter Sektion Marktzugang und Konformität Bakom Bild: PD Bakom

«Wie viele verschiedene Handystecker momentan weltweit oder in der Schweiz existieren, darüber gibt es keine Übersicht», sagt Lucio Cocciantelli, Leiter Sektion Marktzugang und Konformität beim Bakom. Dies, weil keine Zulassungsverfahren mehr durchgeführt werden. Die auf dem Markt eingeführten Kabel und Stecker werden nicht vorgängig kontrolliert und zugelassen, sondern sie werden «vom Markt, also von den Herstellern, entwickelt», wie Cocciantelli sagt. «Wir als Behörde kontrollieren nur noch stichprobenweise, ob die Geräte den Anforderungen entsprechen. Das heisst, ob sie das Funkspektrum genug effizient nutzen oder ob sie andere Geräte in der Umgebung stören», so der Bakom-Experte.

«Keine Schweizer Lösung»

Dass es zu viele sind, darüber sind sich aber fast ausnahmslos alle Experten einig. Wie bald ist also mit einer Lösung – einer Entwirrung des Kabelsalats – zu rechnen? «Aktuell gibt es noch keine Veränderung. Die Schweiz hält sich an den Fahrplan der EU bei der Standardisierung der Ladekabel», sagt Cocciantelli. Was aber klar sei: «Die Schweiz wird das nicht allein machen, wir streben keine eigene Lösung an», so der Bakom-Experte. Entscheiden, wie der Fahrplan genau aussieht und welche Lösung am Schluss den Zuschlag erhält, wird ein Expertenkomitee der EU, mit dem das Bakom zusammenarbeitet. Die Schweiz werde den festgelegten Standard dann übernehmen.

Doch in die Pflicht nehmen will man auch die Hersteller, wie Lucio Cocciantelli sagt. «Grundsätzlich müssen sich die Hersteller einig werden, welcher Stecker sich durchsetzen soll. Wann eine Standardisierung kommt, hängt also auch von ihnen ab», so Cocciantelli. Das Bakom hofft, dass «bis Ende Jahr» klar ist, welcher Standard, also welche Steckertechnologie, sich durchsetzen wird. «Wir gehen weiter davon aus, dass die Standardisierung im Sommer 2017 Realität sein wird», fasst Cocciantelli zusammen. Dann könnten mit dem gleichen Kabel Geräte aller Hersteller aufgeladen werden.

51 000 Tonnen Elektromüll jährlich

Welcher Standard bei den Ladekabeln am Ende aber das Rennen machen wird, ist gemäss dem Experten des Bakom zum jetzigen Zeitpunkt unmöglich abzuschätzen. Mit den unterschiedlichen Steckern verdienen die Hersteller viel Geld. Daher ist nicht von einer schnellen Übereinkunft auszugehen. Der anhaltende Kabelsalat bei den Mobilgeräten stört auch den Konsumentenschutz. Raffael Wüthrich, Projektleiter Nachhaltigkeit bei der Stiftung für Konsumentenschutz, sagt: «Uns stören zwei Dinge: auf der einen Seite die Nachhaltigkeit. Es ist ein riesiger Ressourcenverschleiss, wenn jedes Jahr nur aus diesem Grund Tonnen von Elektroschrott produziert werden.»

Der Umweltschutz ist auch die treibende Kraft hinter den Bestrebungen der EU und der Schweizer Behörden: Hauptziel des Bakom ist es, den Elektroschrott zu reduzieren. Einer Mitteilung des EU-Parlaments zufolge könnten mit einer Vereinheitlichung Tausende Tonnen Elektromüll eingespart werden. Die EU spricht von 51 000 Tonnen jährlich.

Auf der anderen Seite ist es laut Konsumentenschützer Wüthrich für die Konsumenten ein grosses Ärgernis, «wenn sie immer neue Geräte und Zubehör kaufen müssen». In der Tat: Mit der Einführung des geplanten Universalsteckers würden die Konsumenten Geld sparen, da sie nicht jedes Mal, wenn sie ein Handy kaufen, auch ein neues Ladekabel anschaffen müssten.

Drahtloses Aufladen als Lösung?

Am Ende könnte sich laut Lucio Cocciantelli vom Bakom auch eine drahtlose Lösung durchsetzen. Kabelloses Laden funktioniert mittels Induktion. Dabei wird das Handy auf eine Ladestation gelegt, und der Akku wird ohne das Einstecken eines Kabels aufgeladen. Experten sind sich allerdings nicht einig, ob sich kabelloses Laden bis 2017 überall durchsetzen wird. Denn Laden ohne Kabel ist weniger effizient, da ein Teil der Ladeenergie als Wärme verloren geht. Darum dauert das kabellose Aufladen auch länger.

Einige Hersteller, darunter etwa Samsung, bieten diese Technologie aber bereits heute an. Apple jedoch nicht.

Es ist generell anzunehmen, dass der iPhone-Hersteller, der gerne eigene Wege geht, nicht begeistert ist von den Vereinheitlichungsplänen der europäischen Behörden. Wie würde das Bakom auf ein «sperriges» Verhalten Apples oder eines anderen Produzenten in der Kabelfrage reagieren? «Das würde bedeuten, dass solche Produkte nicht mehr konform wären. Im schlimmsten Fall droht einer solchen Firma ein Verkaufsverbot», sagt Lucio Cocciantelli. «Doch wir hoffen, dass es zu einer für alle Beteiligten tragbaren Einigung kommt.»

Trotz Vorschrift zur Vereinheitlichung muss sich der Konsument aber vorerst damit abfinden: Eine Welt, in der Apple-iPhones, Samsung-Handys oder sogar Microsoft-Tablets über dasselbe Kabel aufgeladen werden können, liegt noch in weiter Ferne. So schnell wird der Kabelsalat also nicht entwirrt.

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Schafft Apple das iPhone-Kopfhörerkabel ab?

Die nächste iPhone-Generation kommt voraussichtlich erst im Herbst dieses Jahres auf den Markt. Doch schon jetzt sorgen Gerüchte um das iPhone 7 (so der vermutete Name) – zumindest bei einer grossen Zahl von Apple-Nutzern – für Aufregung. Diverse Medien, so etwa die US-Magazine «Forbes» sowie «Fast Company» oder der Technik-Blog «9to5Mac», berichten nämlich seit mehreren Wochen, dass Apple beim neuen iPhone auf den Kopfhöreranschluss verzichten will. Da das Smartphone so noch dünner und, so weitere Spekulationen, auch wasserdicht werden könnte, soll die 3,5 Millimeter breite Buchse verschwinden. Für viele iPhone-Fans ist das zu viel.

iPhone 7 Concept

Konzept des iPhone 7, Konzept: handy-abovergleich.ch/iphone-7-konzept

Online-Petition mit über 260 000 Unterschriften 

In einer Online-Petition fordern über 260 000 Nutzer, dass Apple den Kopfhörer-Klinkenstecker auf der linken Unterseite des Handys (siehe Bild) beibehalten soll. Sie, wie auch Konsumentenschützer und einige Experten, werfen dem Konzern aus Cupertino im kalifornischen Silicon Valley vor, mit der Änderung nur Geld machen zu wollen. Wenn Apple den Anschluss – und damit für sein Handy de facto das Kopfhörerkabel – abschaffen sollte, wären iPhone-Nutzer gezwungen, auf drahtlose Kopfhörer umzusteigen.

Grafik Headphne Sales

Grafik: Statista.ch

Diese sollen laut den Berichten vom Kopfhörer-Spezialisten Beats Audio hergestellt werden. Apple hatte Beats im Mai letzten Jahres für rund 3 Milliarden US-Dollar gekauft und will nun möglicherweise Synergien noch besser nutzen und das Potenzial der Kopfhörer-Marke voll ausschöpfen. Die Grafik oben zeigt die Anzahl weltweit verkaufter Kopfhörer. Im letzten Jahr wurden gut 290 Millionen Kopfhörer-Sets verkauft. Nur ein kleiner Prozentsatz davon dürften kabellose Kopfhörer gewesen sein – ein noch zu erschliessender Riesenmarkt also.

Die neuen, schnurlosen Beats-Kopfhörer würden über eine Bluetooth-Anbindung funktionieren und sollen laut den Gerüchten über ein geräuschunterdrückendes Mikrofonsystem verfügen, mit dem auch telefoniert oder mit der Apple-Sprachassistentin Siri gesprochen werden kann.

Drahtlose Prototypen sind bereits im Test

Apple wolle sogar so weit auf ein Kabel verzichten, dass auch der linke und der rechte Kopfhörerstöpsel nicht mehr miteinander verbunden seien. So spannend diese Neuerungen tönen: Viele Nutzer kritisieren Apples Vorgehen. Denn dadurch seien diejenigen, die weiterhin ein iPhone nutzen wollen, gezwungen, neue Kopfhörer zu kaufen und damit den Elektromüll-Berg unnötig zu vergrössern. ■

(Dieser Artikel ist in leicht anderer Form erschienen am 15. Januar 2016 in der «Neuen Luzerner Zeitung».)